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Palast der blauen Delphine

Titel: Palast der blauen Delphine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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nicht täuschen! Sie sind so stolz wie Adler und so tückisch wie Füchse.«
    »Wir grüßen die Edlen von Athenai, die uns so zahlreich empfangen!« Er deutete eine Verbeugung an. Die Athener starrten finster zurück. Minos schaute suchend in die Runde. »Allerdings kann ich nirgends Aigeus entdecken. Er ist doch nicht etwa krank?«
    »Der König erfreut sich bester Gesundheit«, brummte Pallas, der Weißhaarige. »Er erwartet euch in seiner Burg, wo bereits ein Mahl vorbereitet ist. Als Gastgeschenk für den König von Kreta hat er mich beauftragt, dir dieses Pferd zu übergeben.«
    Stolz schwang in seiner Stimme. »In ganz Attika findest du kein schöneres Roß.«
    »Ich bin erfreut und beschämt zugleich«, antwortete Minos glatt. »Darf ich dich als Sprachrohr deines Herrn bitten, ihm meinen verbindlichen Dank zu überbringen?«
    Die Unverschämtheit saß. Pallas wurde rot. »Wir sind hier nicht auf Kreta, wo weibischer Gehorsam herrscht«, antwortete er. »Wir sind freie Bürger einer freien Stadt, deren König der Beste unter Gleichen ist. Aigeus braucht keinen Sprecher. Er ist Manns genug, um selbst zu reden.«
    Minos lächelte fein und saß auf. Er beugte sich nach vorn und murmelte dem Pferd etwas ins Ohr, während er seinen Hals tätschelte. Sein Gefolge bestieg ebenfalls die bereitgestellten, allerdings wesentlich derberen Rösser, und gefolgt von den grimmig dreinschauenden Athenern machten sie sich auf den Weg zur Stadt.
    Bald schon lag das dunkelblaue Meer hinter ihnen, und sie durchquerten die Ebene, die im Westen und Nordosten von niedrigen, zum Teil bewaldeten Bergketten umschlossen war. Sie kamen an Gersten- und Weizenfeldern vorbei, auf denen bereits die ersten Halme sprossen, und an nackter brauner Erde, auf der Zypressen und Sträucher wuchsen. Minos ritt so schnell, daß Deukalion Mühe hatte, sich an seiner Seite zu halten. Aiakos war die Nachhut und sorgte dafür, daß der Abstand zu den Athenern, die ein ganzes Stück zurückgefallen waren, erhalten blieb.
    Minos schwieg, und eine Weile blieb auch sein Sohn stumm, aber der Vater spürte, daß ihn etwas bedrückte. »Warum hast du dem Unverschämten nicht deutlicher die Meinung gesagt?« sagte Deukalion schließlich.
    Minos ließ ein leises, gefährliches Lachen hören. »Ich habe keine Lust, mich mit diesen aufgeblasenen Landedelleuten zu messen. Das hebe ich mir lieber für den König dieser Bauern auf, der ständig damit kämpft, sein kleines Reich gegen ihre Machtansprüche zu verteidigen. Nicht gerade geschickt, wie man hört. Er soll einen dahergelaufenen Bastard zu seinem Thronfolger erklärt haben. Nicht jeder hat die nötige Größe, um mit Fehltritten richtig umzugehen.«
    Beide schwiegen wieder und dachten an Asterios. Er hatte sich sehr verändert, seitdem Pasiphaë ihn zum Priester der Göttin geweiht hatte. Und er ging ganz eigene Wege. Aus dem suchenden Jungen war ein selbstbewußter Mann geworden, der sich gegenüber Frauen wie Männern zu behaupten wußte. Keiner, der andere rücksichtslos beiseite drängte. Aber auch keiner, der sich manipulieren ließ.
    Das hatten die Weisen Frauen bereits zu spüren bekommen. Asterios gab sich nicht damit zufrieden, einerseits ihre Gallionsfigur zu spielen und sich andererseits wie ein dressierter Tanzbär von ihnen führen zu lassen. Er machte Vorschläge, übte Kritik an vielem, was bisher als selbstverständlich galt, und stellte eigene Forderungen auf. Fast wie damals die Rebellen um Minos – mit dem entscheidenden Unterschied, daß es ihm nicht um Macht ging, sondern allein darum, der Göttin mit allem zu dienen, was er besaß.
    Sie überquerten moosbesäumte Bäche, ritten durch Wälder; an den Feldrainen blühten Büsche in Gelb und Scharlach. »Ein schönes Land regiert dieser Aigeus«, sagte Deukalion schließlich.
    »Laß dich von dieser Üppigkeit nicht täuschen«, erwiderte Minos. »Attika ist ein Felsenland. Dürr und steinig im Sommer, stürmisch und kühl während der Wintermonate, voller Steine und unfruchtbarer Landstriche, auf denen nichts Rechtes gedeihen will. Nicht umsonst sind diese Barbaren so interessiert an den Kniffen und Kunstfertigkeiten unserer Leute.«
    »Sie versuchen nachzuahmen und alles an sich zu raffen, was nicht niet- und nagelfest ist«, antwortete Deukalion nachdenklich. In letzter Zeit hatten sich die Überfälle auf kretische Seeleute gehäuft. Zum erstenmal in der Geschichte der Insel waren Hafenwachen aufgestellt worden, um Übergriffe zu

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