Palast der Liebe
mit diesem Raum anfangen, wenn sie nicht mehr hier wohnte? Es war ein Jammer, dass dieses Atelier irgendwann ungenutzt bliebe. Im Moment wollte sie sich darüber jedoch nicht den Kopf zerbrechen.
„Mit den Unmengen von Arbeitsmaterial, die du besorgt hast, werde ich fürs Erste genug zu tun haben“, erklärte sie.
„Womit möchtest du anfangen?“ fragte Derek, während er sich auf einen Arbeitshocker setzte.
„Ich muss erst wieder in Übung kommen.“ Caren lachte. „Es ist Jahre her, seit ich das letzte Mal etwas modelliert habe.“ Sie nahm die Werkzeuge in die Hand, die ordentlich aufgereiht auf einem der Tische lagen, eines nach dem anderen. Wie sehr hatte ihr diese Beschäftigung gefehlt!
Als sie Winston gegenüber einmal den Wunsch geäußert hatte, einen Bildhauerkurs an der Kunsthochschule zu belegen, hatte er sie gefragt, was sie sich davon verspreche. Wie immer hatte sie sein Urteil nicht infrage gestellt, geschweige denn ihm widersprochen. Sie hätte nie zu hoffen gewagt, dass sie jemals wieder die Gelegenheit haben würde, sich als Bildhauerin zu betätigen.
„Ich danke dir, Derek“, sagte sie bewegt. „Du hast mir eine große Freude gemacht.“
Derek, der noch immer auf dem Hocker saß, hatte sie die ganze Zeit gespannt beobachtet. Auch während sie auf ihn zukam, wandte er nicht den Blick von ihr.
Caren blieb vor ihm stehen und beugte sich vor, um ihn leicht auf den Mund zu küssen. Sie wollte sich wieder aufrichten, aber eine fremde Macht schien sie plötzlich zu beherrschen. Anstatt sich von Derek zu lösen, küsste sie ihn noch immer.
Derek rührte sich nicht. Weder legte er die Arme um sie, noch zog er sie an sich. Langweilte sie ihn? Erregte sie ihn denn gar nicht? Caren wurde kühner. Mit der Zungenspitze strich sie herausfordernd über seine Unterlippe.
Plötzlich kam Leben in ihn, und er erwiderte ihren Kuss innig und leidenschaftlich. Derek stand auf und presste sie an sich.
Wochenlang hatte er sein Verlangen unterdrücken müssen. Jetzt entlud sich in diesem einen Kuss all die aufgestaute Leidenschaft. Derek begehrte Caren. Er sehnte sich danach, mit ihr zu schlafen. Aber er beherrschte sich eisern. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. Es würde zu sehr nach Tauschhandel aussehen. Sie sollte nicht glauben, dass er ihr das Atelier geschenkt hatte, damit sie mit ihm schlief.
Caren war ihm nach wie vor ein Rätsel. Für die Frauen, die er gekannt hatte, gab es nichts Schöneres, als verwöhnt zu werden und sich dem süßen Nichtstun hinzugeben. Caren hingegen bestand darauf, zu arbeiten.
Er entdeckte immer neue Seiten an ihr. Dabei fragte er sich, ob er es überhaupt wollte. Schließlich hatte das Geheimnisvolle, Unergründliche seinen besonderen Reiz.
Nur widerstrebend gab Derek ihren Mund frei.
„Wenn ich gewusst hätte, dass du mich mit einem solchen Kuss belohnst, hätte ich den Dachboden schon viel früher umgebaut“, sagte er leise, wobei er ihr tief in die Augen sah.
Nachdem Derek Caren das Atelier geschenkt hatte, trat eine Veränderung in ihrer Beziehung ein. Sie tauschten wieder Küsse und kleine Zärtlichkeiten aus, doch Derek unternahm keinen Versuch, mit Caren zu schlafen.
Caren war darüber erleichtert und enttäuscht zugleich. Derek war für sie noch immer der attraktivste, aufregendste Mann. Jedes Mal, wenn sie an die Tage auf Jamaika zurückdachte, bekam sie heftiges Herzklopfen. Sie hatte ihn inzwischen besser kennen gelernt, wusste, was für ein aufrichtiger, verantwortungsbewusster Mensch er war. Und sie fürchtete den Tag, an dem er sich in den ,Tiger Prinzen' verwandeln würde.
Eines Abends erhielten sie einen Anruf von Achmed
Al-Tasan und Cheryl. Achmed, der sich mit Politikern in Washington getroffen hatte, wollte am nächsten Tag nach Saudi-Arabien zurückfliegen. Caren und Derek hatten seinen Besuch im Fernsehen verfolgt.
Caren unterhielt sich kurz mit Cheryl, die sich höflich nach ihrem Befinden erkundigte. Dereks Gespräch mit seinem Vater dauerte länger. Nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, drehte er sich zu Caren um und sagte:
„Vater möchte sich im Oktober mit Mutter in Genf treffen. Wir sollen die beiden dort besuchen. Hättest du Lust dazu?“
„Ja, natürlich“, versicherte Caren freudig.
„Er sagte, er möchte dich besser kennen lernen.“ Liebevoll berührte er ihre Nasenspitze. „Hamid und seine Frau werden auch dort sein.“
„Dein älterer Halbbruder?“
„Ja. Vater fragte mich übrigens, ob wir schon
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