Palast der Liebe
mit der Reitpeitsche übergezogen. Stattdessen packte sie Zarifas dicke Mähne, schwang sich in den Sattel und preschte davon. Als sie sich einem niedrigen Zaun näherten, ließ sie die Stute einfach laufen und schloss die Augen, bis die Hufe des Tieres auf der anderen Seite den Boden berührt hatten.
Sie hörte, wie Derek auf Mustafa hinter ihr hergaloppierte. Er griff nach Zarifas Zügeln und riss so heftig daran, dass die Stute sofort stehen blieb. „Willst du dir das Genick brechen?“ schrie er Caren an.
„Sagtest du nicht, ich solle springen?“ gab Caren wütend zurück.
„Dazu musst du es erst einmal lernen.“
„Dann bring es mir bei, anstatt mich anzuschreien.“
Damit begann Carens Reitunterricht. Aber die Reitstunden allein füllten ihre Tage nicht aus. Sie streifte durchs Haus, ständig auf der Suche nach einer Beschäftigung.
Eines Nachmittags stieg sie die steilen Stufen zum Dachboden hinauf. Als sie die Tür zu dem halbdunklen Raum aufstieß, schlug ihr eine Staubwolke entgegen.
Der Dachboden erstreckte sich über die gesamte Länge des Hauses. Er hatte zwar eine schräge Decke, die aber so hoch war, dass man auch an den Wänden noch aufrecht stehen konnte. Es war der einzige Raum im ganzen Haus, der nicht sauber und aufgeräumt war.
Caren stahl sich in Daisys Besenkammer, holte sich Eimer, Schrubber, Putzlappen und was sie sonst noch brauchte, und verzog sich damit wieder auf den Speicher.
Eine Stunde später wurde ihre Putzwut jäh gebremst. „Was hast du denn hier zu suchen?“ hörte sie plötzlich Dereks aufgebrachte Stimme hinter sich. „Bist du verrückt geworden?“
Caren wirbelte herum. Derek stand unter der Tür, hinter ihm Daisy, die sie zerknirscht anschaute. „Ich musste es ihm sagen, Caren“, jammerte sie. „Ich wusste, es würde ihm nicht recht sein.“
„Es reicht, Daisy!“ fuhr Derek seine Haushälterin an, die sich daraufhin leicht beleidigt nach unten verzog.
Staubteilchen tanzten im Sonnenlicht, das verschwommen durch die trüben Fensterscheiben drang. Caren stützte sich auf den Besenstiel und sah Derek herausfordernd an. Mit dem Kopftuch und dem Staubfleck auf der Nase sah sie reizend aus, so dass Derek nicht wusste, ob er sie in die Arme nehmen und küssen oder lieber übers Knie legen sollte.
„Nun?“ fragte er.
„Du siehst doch, was ich mache“, entgegnete sie schnippisch. „Ich putze den Dachboden.“
„Caren“, erwiderte er ungehalten. „Ich habe Angestellte, die für solche Dinge zuständig sind. Meine Frau hat es nicht nötig zu putzen.“
„Deine Frau hat es sehr wohl nötig. Sie ist nämlich der Meinung, dass sie sich ihren Aufenthalt hier verdienen sollte.“
Langsam kam er auf sie zu. Caren kannte ihn gut genug, um ihm anzumerken, dass er nur mit Mühe einen Wutanfall unterdrückte.
„Was soll das heißen?“
„Es soll heißen, dass ich mich bei diesem Lebensstil nicht wohl fühle.“
„Wie meinst du das?“
„Ich kann nicht den ganzen Tag untätig herumsitzen. Ich bin es gewohnt zu arbeiten, Derek. Du findest es vielleicht gerechtfertigt, in Saus und Braus zu leben, während anderswo Menschen verhungern. Ich nicht. Du kannst Autos kaufen und teure Kleider und Hundertdollarscheine an Teenager verschenken, die dir schöne Augen machen. Erwarte aber bitte nicht von mir, dass ich ebenso leichtfertig bin.“
Derek schwieg. Schließlich fragte er: „Bist du jetzt fertig?“
„Nein.“
„Ich meinte fertig mit deinem Vortrag, nicht mit deiner Putzaktion. Die war nämlich in dem Moment abgeschlossen, als ich diesen Raum betrat.“
„Ich habe alles gesagt, was ich zu sagen hatte.“
Er trat beiseite, wobei er ihr mit einem vorwurfsvollen Blick zu verstehen gab, dass sie den Dachboden ohne Widerrede zu verlassen habe. Dann schloss er die Tür hinter ihnen ab und steckte den Schlüssel in die Hosentasche.
Ein paar Tage später vertrieb sich Caren die Zeit bei Daisy in der Küche. Während sie Daisy beim Brotbacken zuschaute, klingelte es an der Haustür. Erfreut über die höchst willkommene Abwechslung, sprang Caren auf. „Ich werde aufmachen“, erbot sie sich, da Daisy gerade beide Hände voller Teig hatte.
Vor der Tür stand eine elegante, gut aussehende Frau Mitte vierzig. „Hallo“, sagte sie etwas unsicher. „Ich bin Sarah Caldwell vom Shenandoah-Waisenhaus. Ist Mr. Allen zu Hause?“
„Er ist bei den Pferden“, erwiderte Caren verwirrt. „Ich werde ihn rufen lassen. Bitte, kommen Sie doch herein.“ Sie
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