Palast der Schatten - historischer Kriminalroman
Geheimnis könne durch mich an die Ãffentlichkeit gelangen. Er war sich nicht sicher, wie viel ich bemerkt hatte an jenem Abend, dennoch ahnte er, dass sein Doppelleben entlarvt war. Er fürchtete sich vor dem Skandal, vor gesellschaftlicher Ãchtung. Natürlich auch vor dem Gefängnis und dem Ende seiner verbotenen Liebe. Er schützte sein Glück, indem er es mit der Ehe, mit mir, tarnte.«
»Und du, Carla? Warum hast du das ausgehalten? Warum?«
»Auch ich hatte Angst um meine Existenz. Die Scham lieà mich schweigen, erdulden. Ich tat nichts. Ich träumte nur, etwas zu tun. Ich hatte immer wieder den gleichen Traum. Ich laufe in die Buchhandlung. Nichts AuÃergewöhnliches spielt sich im Geschäft ab. Die Kunden stöbern in den Regalen, fragen nach Buchtiteln. Eduard kommt mit seinem stets freundlichen Lächeln auf mich zu. Plötzlich stürze ich zum Regal, reiÃe unzählige Bücher vom Brett und schleudere sie zu Boden. Ich werfe Eduard ein Buch an den Kopf. Er hebt den Arm, um sich zu schützen. Ich trete auf die am Boden liegenden Bücher, stoÃe eines mit dem Fuà beiseite, stürme auf Eduard zu, trommle ihm mit den Fäusten auf die Brust und schreie: âºIch hasse dich und deine Bücher.â¹ Dann stürze ich aus der Ladentür. Vom gellenden Geklingel der Türglöckchen wachte ich jedes Mal auf.«
Carla seufzte. »Ich habe nichts dergleichen getan. Ich hatte keinen Antrieb mehr. Mein Leben verlor allen Inhalt. Mir war alles gleichgültig geworden. Ich befand mich in einem Zustand zwischen Leben und Tod. Ich fühlte mich zu schwach, um vom Skandal beschmutzt zu leben.«
Sie schluckte. »Ich besaà noch Phandormtabletten. Ich hatte sie einmal wegen einer Fingerverletzung verschrieben bekommen und nur wenige davon verbraucht. Der Gedanke zu sterben erschien mir leicht und schwebend. Ein letztes Aufflackern noch, dann die Erlösung. Ich sah mich als fahles Gespenst, in ein Leichentuch gehüllt. Ich war nur noch in Todesgedanken eingesponnen. Doch dann kam alles anders.
Plötzlich entschied sich etwas in mir für das Leben. Eines Morgens erwachte ich mit einer Kraft, wie ich sie seit Monaten nicht in mir gespürt hatte. Meine verlogene Welt geriet in Aufruhr. Ich wollte leben, lieben, genieÃen. Voller Verlangen, das Versäumte nachzuholen, begann ich eine Affäre mit einem jener jungen, schönen Männer aus reicher Familie, die nichts anderes tun, als ein ausschweifendes Leben zu führen. Ich stürzte mich in dieses Abenteuer. Lust, Neugier, Sehnsucht nach Leidenschaft trieben mich an. Ungebremst und ohne Widerstand fiel ich in Ludwigs Arme. Ich war blind, trunken, toll. Ich hatte nicht bemerkt, auf wen ich mich einlieÃ.«
Carlas Stimme klang verstört. »Max, die neuen Papiere, ich brauche sie nicht nur wegen der Heirat. Ich ⦠ich â¦Â«
Sie verstummte.
Fortsetzung folgt
WeiÃe Teufel
Theo lag im Bett. In einem Zimmer, das eine Zelle war. Vergittertes Fenster, verschlossene Tür mit Spion. Er starrte an die Decke. Ihm war heiÃ, seine Lippen trocken und spröde. Er hatte unbändigen Durst. Er hob den Kopf, wünschte, nach einem Wasserglas zu greifen, doch ihm wurde schwindlig. Vor seinen Augen flimmerte es, als spiegle sich Hitze auf einer AsphaltstraÃe. Sein Kopf sank ins Kissen zurück.
Zwei weiÃe Gestalten kamen auf ihn zu. Sie hoben ihn auf, legten ihn auf eine Pritsche mit Gummirollen.
»Wo bin ich?«, fragte Theo.
Die Männer lachten.
»In der Klapsmühle, Kamerad. Irrenanstalt, oder feiner ausgedrückt: Nervenheilanstalt.«
Sie rollten ihn über den Flur in ein anderes Zimmer.
Sie trugen weiÃe Kittel, der Oberarzt, der Assistenzarzt, der Volontär. Sie gruppierten sich um ihn herum.
»Bericht, Köhler!«, schnauzte der Oberarzt Dr. Weià den Assistenten an.
»Theo Blum, Infanterie-Regiment. Soldat seit August 1914. Immer Stellungskampf im Westen. Schon mehrmals nervenschwach gewesen. Sah, wie acht Kameraden seiner nächsten Umgebung zerrissen und verstümmelt wurden. Wurde dann verschüttet und lag 18 Stunden unter der Erde. Man trug ihn bewusstlos zum Truppenverbandsplatz. Seit seinem Erwachen allgemeines Zittern, ruckartiges Einziehen des Kopfes zwischen die Schultern und duckendes Einknicken der Knie gegen vermeintliche Geschosse. Krampfhafte Schrei- und Lachanfälle mit begleitenden
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