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Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Palast der Schatten - historischer Kriminalroman

Titel: Palast der Schatten - historischer Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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immer schneller, immer verworrener in einem wilden Tanz aus Träumerei und Wirklichkeit. Ihm war, als hielte er selbst einen Filmkasten auf seine Seele, doch er vermochte das Objektiv nicht zu lenken. Es bahnte sich seinen eigenen Weg.
    Zuweilen musste Theo lachen, wenn die Bilder kamen. Er konnte es sich nicht erklären. Es geschah ohne seinen Willen. Wenn er nicht achtgab, konnte er nicht mehr aufhören damit. Wie Echos reihte sich ein Lacher an den anderen. Sie klangen rostig und knirschten. Dann hielt er sich die Ohren zu, denn er hasste ihr Geräusch und er spürte, wie sie ihm Halsschmerzen bereiteten. Manchmal würgte er an seinem Lachen, als hätte er Chlor eingeatmet, erstickte fast daran. Das wäre noch zu ertragen, aber wenn er sich nicht zusammenriss, erschienen die Pfleger mit der Zwangsjacke. Und dann brachten sie ihn ins Behandlungszimmer zu den Stromstößen. Deshalb hielt er sich bisweilen den Mund zu, rollte sich zusammen, legte die Stirn auf den Boden und hoffte, das elende Gelächter zum Schweigen zu bringen.
    Doch verrückt war er nicht!
    Er lag jetzt im großen Schlafsaal. Neben ihm schlief Wilhelm. Der war wirklich nicht mehr ganz richtig im Kopf. Alle zehn Minuten stand er auf und suchte sein Kissen nach Läusen ab. Und dann Georg, der rollte sich aus dem Bett, weil er vor den Bomben in Deckung gehen musste. Er brüllte, bis er ohnmächtig wurde. Dann lag er da, bis der nächste Anfall begann.
    Theo starrte schlaflos in die nächtliche Finsternis. Es raschelte. Wilhelm suchte wieder sein Kissen nach Läusen ab. Theo versuchte, die Minuten zu zählen, um einzuschlafen. Aber es gelang ihm nicht. Die Zeit lief vorwärts, dann wieder rückwärts oder sie wurde träge und blieb stehen. Auch gegen unendlich raste sie.
    Er hörte ein leises Rumoren. Die Wand. Sie bewegte sich wieder, blähte sich auf und barst. Düstere Schatten sprangen heraus. Theo schloss die Augen, sagte alle Filmtitel auf, an die er sich erinnerte, ordnete sie alphabetisch, doch die Schatten ließen sich nicht verscheuchen. Sie legten sich um seine Kehle und schnürten ihm die Luft ab.
    Theo tritt vor den Spiegel. Er sieht sein Spiegelbild. Plötzlich springt das Spiegelbild aus dem Spiegel heraus, sieht Theo an, verlässt den Raum, ein Schatten, der sich vom Körper getrennt hat und sein Eigenleben führt. Theo schaut ihm nach. Der andere ist er, er selbst. Er sieht zu, wie er sein Unwesen treibt, wie er mordet, schändet, Gewehrkolben gegen Leichen stößt, tote Schädel zerschmettert. Er sieht ihn lachen, höhnisch, im blitzenden Lichtstrahl des Spiegels. Widerlich. Ich bin widerlich. Er kann nicht mehr ertragen, sich zu beobachten, schlägt auf den Spiegel ein. Verflucht sollst du sein, sterben musst du!
    Und er stürzte hinunter ins Bodenlose, bis sich alles auflöste, verzerrte. Bilder. Bilder. Er sank immer tiefer und was er glaubte zu sein, war ausgelöscht.
    Das Feldlazarett. Die Offiziersratten. Überall krabbeln sie herum. Sie schlürfen die Vollmilch der Schwerkranken und fressen die Fleischrationen der Verwundeten. Sie sind noch fetter als die Grabenratten. Theo zitterte. Ich lebe, lebe, habe überlebt, überlebt. Das Drecksessen, die Karboldünste, den Schweiß, den Eitergeruch, die Totengesichter, zerrissene Leiber, Schreie der Kinderrekruten. Die Sterbenden. Die Toten. Die Ratten. Die Grube.
    Da war es wieder. Es vibrierte lautlos, lauerte in der Brust, dann brodelte es wie ein Vulkan vor dem Ausbruch, stieg schwelend auf, brannte in der rauen Kehle, eine heiße, lodernde Glutmasse, das Lachen, das sich nach außen drängte, explodierte, sich heimtückisch in alle Richtungen versprengte, wie spitze Metallsplitter in den Raum schoss, klirrend an die Wände prallte, bluttriefend die Mauer hinabströmte, gewaltsam und mächtig, ohne Halt, rote Pfützen bildend unter seinen Füßen. Er hörte es, das Lachen, doch es war ja nicht er, der lachte, sondern der andere. Aber warum hörte er nicht auf damit? Es schmerzte, die Splitter, all das Blut, das Feuer. Er verbrannte. Hör doch auf!
    Hinter ihm ballt sich etwas zusammen. Er ist es. Er steht hinter ihm, geisterhaft und kalt. Seine Augen brennen. Die weiße Ratte. Werden ihn schon zurechtbiegen, zurechtbiegen, kreischt sie. Stellt den Strom stärker. Stärker, habe ich gesagt.
    Theo lachte schallend. Dann schrie er: Hurra! Hurra! Es gibt

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