Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Palast der Suende - Roman

Palast der Suende - Roman

Titel: Palast der Suende - Roman
Autoren: Jan Smith
Vom Netzwerk:
Blau.

Viertes Kapitel
    Claire hatte genug von der Sonne. Sie brannte auf den Strand hinunter und wurde nur ein wenig gemildert durch die Brise, die mit der Plane des Sonnendachs spielte. Zwei Kinder rannten kreischend vorbei, tobten glücklich über die Kieselsteine und kreischten noch ein bißchen lauter, als sie sich wieder ins Wasser stürzten.
    Claire schaute ihnen nach, und es war ihr bewußt, wie sie noch vor achtundvierzig Stunden alles darum gegeben hätte, der Langeweile ihres Büros zu entkommen. Jetzt lag sie hier am Strand des Lido, und ihre Haut nahm die Farbe eines cafe con Latte an, und doch fühlte sie sich genervt. Sie vermutete, daß es nicht nur ihre Trägheit war, die sie so ruhelos machte: Es waren die intensiven Blicke der braunen Augen, denen sie nicht entrinnen konnte.
    »Einen Gefallen, bitte, Claire«, sagte Cherry. »Ich muß meinen Rücken eincremen.« Sie war nicht gut zu verstehen, weil sie auf dem Bauch lag, und ihren Mund hatte sie in ein Badetuch gepreßt.
    Claire setzte sich auf und kramte in ihrer Tasche nach dem Sonnenöl. Während sie Sonnenschutzfaktor 15 in die heiße Haut ihrer Freundin rieb, hob Cherry den Kopf mit den wuscheligen Haaren und schaute Claire neugierig an.
    »Du bist sehr still heute morgen.«
    »Ach?« meinte Claire nur.
    Cherry grinste. »Hat das wohl etwas mit deinem geheimnisvollen
Schotten zu tun?« Sie lachte. »Du bist unverbesserlich.«
    »Wie meinst du das?«
    »Du weißt ganz genau, wovon ich spreche. Wir sind seit weniger als zwei Tagen hier, und du hast schon was angebändelt. Das beweist mir, daß man eine gute Frau nicht unterbuttern kann. Ich werde überleben, solange ich weiß, wie man liebt, werde ich leb e n ...« Sie summte Gloria Gaynors Hymne für alle sitzengelassenen Liebenden in der Welt.
    »Hör auf damit, die Leute gucken schon zu uns herüber«, sagte Claire und spürte, wie sie errötete. »Außerdem ist ›anbändeln‹ ein zu starkes Wort. Schließlich gehe ich mit ihm nur in die Oper, sonst nichts.«
    »Besser du als ich. Oper – igitt.«
    »Du bist eine Kulturbanausin.« Claire klopfte auf die Schulter der Freundin. Sie wollte dringend das Thema wechseln. »Fertig. Jetzt kannst du wieder ein paar Stunden schmoren.«
    Aber Cherry ließ sich nicht so leicht ablenken. »Du hast mir bis jetzt noch nicht gesagt, wie er aussieht. Sieht er geil aus?«
    Claire bedachte sie mit einem nachsichtigen Blick. »Ich weiß es nicht, egal, was du glaubst. Er ist schlank, hat einen dunklen Teint, und man kann sagen, daß er gut aussieht.« Sie war nicht absichtlich so vage in ihrer Beschreibung, so genau konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, wie Stuart MacIntosh aussah. Sie sah nur noch einige zwingende Einzelheiten vor sich: Seine Augen, die Hände und den sinnlichen Mund, den sie am liebsten sofort geküßt hätte. Aber als sie versuchte, aus den Detailaufnahmen ein Ganzes darzustellen, gelang ihr dies nicht.

    Das war wahrscheinlich ein Beweis dafür, wie sehr die Begegnung sie aus dem Gleichgewicht gebracht hatte. Sie errötete. Sie konnte nicht leugnen, daß eine spontane körperliche Verbindung zwischen ihnen bestanden hatte, ein Strom, der geknistert hatte wie bei einer statischen Aufladung.
    Trotzdem war sie sich wegen der Verabredung nicht sicher. Als sie am Morgen aufgewacht war, war ihr erster Gedanke gewesen, das Treffen abzusagen. Sie hatte sogar schon den Telefonhörer in die Hand genommen, aber dann fiel ihr ein, daß sie keine Ahnung hatte, wie sie mit ihm in Kontakt treten konnte.
    »Du bist wieder in deine kleine Traumwelt geflüchtet«, warnte Cherry. »Ist er so umwerfend?«
    »Sei nicht albern. Die Sonne macht mich schläfrig, das ist alles.« Claire sah, wie die Sonnenstrahlen auf Cherrys Rücken und Schultern prallten. »Du solltest vorsichtig sein, sonst holst du dir einen Sonnenbrand.«
    »Wie kommt es eigentlich, daß du immer das Thema wechselst, wenn wir gerade bei einem interessanten Punkt angelangt sind?« fragte Cherry.
    »Rede ruhig weiter über deinen interessanten Punkt«, sagte Claire, aber dann fiel ihr die alte Strategie ein, daß Angriff die beste Verteidigung ist. »Du hast mir immer noch nicht gesagt, wieso du gestern abend zu spät zum Essen warst.«
    »Doch, habe ich dir gesagt. Ich habe mich verlaufen.«
    »Oh?« Claire schaute die Freundin prüfend an. »Und wieso sah ich dieses verräterische Strahlen in deinem Gesicht?«
    Cherry stöhnte auf und drückte ihr Gesicht ins Badetuch.
»Es stimmt. Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher