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Palast der Suende - Roman

Palast der Suende - Roman

Titel: Palast der Suende - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Smith
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sie den anderen Mann unter gesenkten Lidern. Es war unmöglich zu sagen, wie alt der Klient ihres Liebhabers war. Seine Haare hatten die Farbe von Stahl, das Gesicht war seltsam faltenlos. Irgendwo zwischen vierzig und sechzig, entschied Claire.
    Eine Aura von Stärke ging von ihm aus, die durch seine markigen Gesichtszüge noch betont wurde. Seine Augen hatte die Farbe von blassem Jeansstoff, seine Wangenknochen saßen hoch, und seine Nase war schmal und lang. Sein Mund hatte eine ähnliche Sinnlichkeit wie Stuarts, aber ausgeprägter, übertrieben wie in einer Karikatur, so übertrieben, daß es sie eher abstieß.
    »Mögen Sie Meeresfrüchte, Signora Savage?« fragte er.
    Sie nickte.
    »Obwohl wir in Venedig an der Küste sind, ist der Fisch bei uns sehr teuer. Aber ich bin der Meinung, daß er jede Lira wert ist. Die guten Dinge im Leben sind immer ihren Preis wert, finden Sie das nicht auch?«
    Claire starrte hin, als er eine Hummerschere aufbrach und geschickt das zarte Fleisch herauspickte. Er sah, daß sie zuschaute, und hielt ihr den Bissen hin.
    »Möchten Sie mal probieren?«
    Claire sah auf das pinkfarbene Fleisch zwischen seinen
manikürten Fingern und schüttelte den Kopf. »Nein, danke, ich bin nicht so sehr für Hummer.« Das war gelogen, aber das konnte er nicht wissen. Irgendwie wollte sie nicht von seiner Hand gefüttert werden. Als wäre sie sein Schoßhündchen.
    »Dann lassen Sie mich Ihnen wenigstens Wein einschenken.« Bevor sie ihn daran hindern konnte, füllte Vittorio ihr Glas. »Sizilianischer Wein«, sagte er. »Wie alles aus Sizilien ist er ein bißchen rauh, hat aber ein weites Herz.«
    »Sind Sie Sizilianer?« fragte sie, eher aus Höflichkeit denn aus persönlichem Interesse. Sie schälte eine Gamba aus der Schale und biß hinein. Sie schmeckte köstlich.
    »Si. Palermo. Als Junge habe ich geglaubt, daß ich mein Glück nur in dieser lauten, gottlosen Stadt finden könnte.« Vittorio hob die Schultern. »Aber ich habe schnell herausgefunden, daß ich überall das finden kann, wonach mir gerade der Sinn steht.« Er wandte sich an Stuart und klopfte ihm aufs Knie. »Signora Savage muß uns mal besuchen, wenn wir in London sind, eh?«
    »Ich kann mir denken, daß sie eine vielbeschäftigte Frau ist«, sagte Stuart, womit er sein langes Schweigen endlich gebrochen hatte.
    »Ah, ihr jungen Leute, ihr lernt es nie. Ihr arbeitet zu hart. Es wäre doch zu schade, wenn eine so schöne Lady wie die Signora nicht ab und zu Zeit fände, um sich dem einen oder anderen Spiel hinzugeben.«
    Claire errötete. Sie wußte, daß sie nicht vom Besten aussah; die Dusche hatte sie ihres Make-ups beraubt, und ihr Haar mußte wirr vom Kopf abstehen, denn sie hatte es in der Eile nur unvollkommen trocknen können.
    Stuart lächelte sie an, aber es war ein oberflächliches
Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. »Ja, das wäre wirklich schade«, sagte er lahm.
    Sie glättete verlegen ihren Rock unter dem Tisch, und dabei bemerkte sie, daß Vittorios fleischige Hand immer noch auf Stuarts Knie lag. So etwas wie ein Schock durchfuhr sie. Sie schaute hastig ins Gesicht ihres Liebhabers, und ihre Blicke trafen sich. Sie sah ein intensives Gefühl in diesem Blick, aber sie konnte nicht erkennen, welches Gefühl er ausdrückte.
    »Sagen Sie«, fuhr Vittorio fort, »was macht die Arbeit in meinem Ballsaal? Glauben Sie, daß Sie lange zu tun haben werden?«
    Sie erholte sich wieder von ihrem Schock.
    »Etwa eine Woche, glaube ich.«
    Vittorio attackierte den Hummer jetzt mit beiden Händen. Claire schob ihren Teller von sich; sie hatte keinen Hunger mehr.
    »Schade. Es freut mich, wenn der Palazzo mit jungen Leuten gefüllt ist. Ein solches Gebäude braucht intensives Leben, finden Sie nicht auch?« Er sah sie an und hob fragend eine Augenbraue. Dann lächelte er. »Aber es ist gut, daß Sie zu meiner Geburtstagsparty am Samstag hier sein werden. Sie und Ihre Kollegen sind natürlich alle eingeladen. Die Gäste sind sehr sorgsam ausgewählt, und ich bilde mir ein, daß dieses Fest das Ereignis der diesjährigen Saison in Venedig ist.«
    Vittorio leckte sich die Finger ab und schaute auf seine Uhr. »Es ist mir eine große Freude, Sie endlich in natura kennengelernt zu haben.« Er stand auf und küßte ihre Hand. »Aber ich fürchte, daß ich jetzt gehen muß. Bitte, lassen Sie sich noch Zeit mit dem Essen. Sie sollten es nicht so eilig haben.«

    Er wandte sich an Stuart und sprach italienisch mit ihm. Es war so

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