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Palast der Suende - Roman

Palast der Suende - Roman

Titel: Palast der Suende - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Smith
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traten die Albright-Zwillinge aus dem Hotel. Der Dunst löste sich allmählich auf, und ab und zu lugte die Sonne durch, um gleich darauf wieder hinter den wabernden grauen Schleiern zu verschwinden. Die beiden Männer schritten schweigend aus, ihre Absätze klackten auf dem Asphalt. Dann schöpfte Quaid Luft.
    »Es scheint, daß wir uns hinter dieselbe Frau geklemmt haben.« Er sprach unaufgeregt. »Ich nehme an, daß sie auch mit dir geschlafen hat.«
    Sein Bruder schaute dumpf vor sich hin, als brütete er etwas aus.
    »Verdammt, Harper, antworte mir! Ich verspreche dir auch, daß ich nicht wütend werde. Aber ich will die Wahrheit wissen.«

    Harper sah ihn kurz von der Seite an und gab nach. »Sie ist zuerst mit mir ins Bett gegangen, dann erst mit dir.«
    Quaid unterdrückte einen Fluch und schaute weg, damit sein Bruder nicht sein Gesicht sehen konnte.
    »Um ehrlich zu sein: Sie hat mich mit dir verwechselt«, gestand Harper.
    »Und du hast sie im Glauben gelassen?«
    Harper antwortete nicht, er blickte nur voller Scham auf seine Stiefelspitzen.
    »Wie konntest du ihr das antun? Und mir?«
    »Es war nur dieses erste Mal, das schwöre ich. Danach wußte sie, was sie tat – und daß sie es mit mir tat.« Harper sah ihn jetzt trotzig an. »Ich werde sie nicht aufgeben, Quaid. Nicht für dich und nicht für niemanden.«
    Quaid starrte ihn eine Weile an, dann stieß er einen Seufzer aus. »Verdammt, das kann ich dir doch nicht verübeln.« Wieder verfielen sie in Schweigen, ehe Quaid sagte: »Wenn sie zwischen uns wählen wollte, hätte sie es längst getan. Ich nehme an, sie ist gar nicht so unglücklich darüber, uns beide an der Nase herumzuführen.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Oh?«
    »Sie ist nicht berechnend, Quaid. Sie ist verwirrt.«
    »Da ist sie bestimmt nicht die einzige. Was ist mit uns? Wir haben immer alles geteilt – unser Haus, unsere Arbeit, unsere Freunde. Aber sie könnte gefährlich für uns bisheriges Leben werden. Das würde mir verdammt leid tun.«
    Harper sah ihn stirnrunzelnd an. »Aber was können wir denn unternehmen?«

    Sein Bruder sah ihm in die Augen. »Wie wäre es damit, gar nichts zu unternehmen?«
    »Wie meinst du das?«
    »Wir lassen die Dinge laufen, wie sie laufen. In ein paar Tagen werden wir sowieso abreisen. Warum sollen wir die wenige Zeit mit Eifersucht verderben?«
    Obwohl sie eine Lösung gefunden hatten, blieb die Niedergeschlagenheit bei beiden, die sich zunächst in Schweigen ausdrückte. Jeder hing seinen Gedanken nach.
    Dann murmelte Harper: »Ich kann mir nicht vorstellen, sie nicht mehr zu sehen.«
    »Ich auch nicht.«
    »Also müssen wir doch klären, was wir unternehmen – oder?«
     
    Sean richtete sich auf. Er hatte auf dem Boden gekniet, um seinem Motiv eine Art Froschperspektive zu geben. Er schaute auf die Uhr. Es war Zeit, zurück ins Hotel zu gehen. Duschen und wieder in den Palazzo zur Arbeit. Plötzlich rieb er sich verwundert die Augen. Er stand auf einer Brücke des Kanals, der am Palazzo Giardino vorbeilief. Er beugte sich über die Balustrade und atmete tief durch. Er sehnte den Arbeitsbeginn nicht herbei, denn er wußte, daß er Claire zur Rede stellen mußte.
    Er wollte gerade in Richtung Hotel gehen, als er am Kai des Palazzo eine Bewegung wahrnahm. Ein Motorboot lag am Kai, der Fahrer wartete am Steuer. Der Mann schnipste seine Zigarette ins Wasser, und in dem Augenblick öffnete sich die Tür, die zum Kai führte, und zwei bullige Männer traten heraus, gefolgt von einer Frau. Sie war in Schwarz gekleidet wie die Männer, aber was für ein Unterschied!

    Ihr langes schwarzes Abendkleid ließ die weiße Haut von Schultern und Hals frei, und das silberne Haar bildete einen attraktiven Kontrast. Sie war zweifellos eine Schönheit, eine Schönheit in der Art eines Filmstars der zwanziger Jahre, und dieser Eindruck vertiefte sich noch bei Sean, als er sah, daß die Frau einen Schal um den Kopf band, der ihr blasses Gesicht einrahmte.
    Es war eine Gelegenheit, die sich Sean nicht entgegen lassen konnte. Er schraubte rasch den Zoom auf, zielte und schoß, bannte ihr Gesicht auf den Film.
    In diesem Augenblick schaute sie zur Brücke hoch, starrte direkt in die Linse und versteifte sich. Die Männer bemerkten die Veränderung, die mit ihr vorgegangen war, und folgten ihrem Blick. Sie entdeckten Sean auf der Brücke.
    Zu Seans Überraschung sprangen sie den Bretterweg hoch und rannten in Richtung Brücke. Sie schrien und hoben drohend die Fäuste.

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