Palazzo der Lüste
den Schätzen des Orients sucht?«
Die großen archäologischen Entdeckungen hatten erst im neunzehnten Jahrhundert stattgefunden. Der Stein von Rosette wurde um die Wende vom siebzehnten zum achtzehnten Jahrhundert herum gefunden und die Hieroglyphen noch einmal zwanzig Jahre später von Champollion entziffert. Trotzdem kann es 1754 Liebhaber altägyptischer Kunst gegeben haben, dachte sie.
»Das ist das Richtige für meinen entfernten Verwandten.« Capelli schenkte ihr einen anerkennenden Blick. »Er lebte seit zwanzig Jahren in Alexandria und beschäftigte sich mit Ägyptens Schätzen. Die einzige Verbindung zur Serenissima war seine Ehefrau.«
»Ich kann aber nicht seit zwanzig Jahren jemandes Ehefrau gewesen sein«, lachte sie. »Ich hätte dann im zarten Alter von sechs Jahren heiraten müssen.«
»Ich habe doch nicht zwanzig Jahre Ehe gemeint. Er hat Sie aus Venedig kommen lassen, und Sie haben dort vor etwa fünf Jahren geheiratet. Er war etliche Jahre älter als Sie, etwa zwanzig.« Ein spitzbübisches Lächeln umspielte Nicolòs Augen. Das Spiel machte ihm diebische Freude.
»Wie bin ich dann Witwe geworden?« Sie fand auch zunehmend mehr Gefallen daran.
Seine Hand, die mit den lockigen Haarsträhnen in ihrem Nacken spielte, lenkte sie noch zusätzlich ab. Sündige Gedanken blitzten in ihrem Hirn auf.
»Ein Fieber hat Ihren Gatten hinweggerafft, und Sie sind zurückgekehrt. Wie praktisch so ein Fieber manchmal sein kann.« Seine Hand legte sich um ihren Nacken, als wollte er sie zu sich heranziehen, um sie zu küssen.
Cecilia würde seinem Kuss nicht widerstehen können, das wusste er. Er küsste sie dann aber doch nicht, sondern fuhr nur mit dem Daumen den zarten Bogen zwischen Hals und Schulter entlang. Es war ein Versprechen für die Zukunft.
»Ein Fieber.«
»Das sumpfige Delta des Nils ist bekanntlich ein Hort für allerlei Krankheiten.« Mit jedem Wort begeisterte sich Capelli mehr für seine Idee. Seine gelangweilte Miene war einem amüsierten Ausdruck gewichen. Das versprach ein interessanter Sommer zu werden.
»Das geht nicht. Alle werden merken, dass ich eine Betrügerin bin.«
»Keine Betrügerin. Nicht doch.« Wieder strich sein Daumen über ihren Hals.
»Es wäre ein großer Spaß«, fuhr er fort, »Sie als eine Donna Capelli in die Gesellschaft einzuführen. Niemand wird etwas merken. Ich wette mit Ihnen.«
»Wetten! Um was?«, lachte sie.
»Um den Besitz dieser Villa.«
»Nein, das geht nicht.« Seine Worte jagten ihr einen Schauer über den Rücken. Das prächtige Haus könnte ihr gehören. »Das können Sie nicht machen, und ich kann nichts einsetzen.«
»Eine Wette ist eine Wette«, sagte er leichthin. »Außerdem werde ich meine gewinnen, die Villa behalten, und Ihr Einsatz wird sein, dass Sie eine Nacht meine ergebene Dienerin sind – eine partie libertin.«
Die französischen Worte klangen fremd in ihren Ohren, aber sein Blick ließ keinen Zweifel an ihrer Bedeutung. Er wollte sie. Cecilia schluckte.
Diese Idee in seinem Haus zu bleiben, bis sie einen Weg zurück in ihre Zeit gefunden hatte, hatte etwas Bestrickendes. Sie käme vielleicht sogar dazu, eine dieser köstlichen Balltoiletten zu tragen und eine gepuderte Perücke oder diamantbesetzte Knöpfe – und erst sein Vorschlag über die Abtragung ihrer Wettschuld … Aber die Gefahr entdeckt zu werden – sie vergaß ganz und gar, dass sie dann Besitzerin einer Villa werden würde.
»Ich kann nicht die Witwe eines Altertumsforschers aus Alexandria spielen. Ich verstehe nichts von ägyptischer Kunst.«
»Das müssen Sie nicht, Signora Barbagli – oder sollte ich besser Capelli sagen. Warum sollten Sie von Tonscherben und Obelisken etwas verstehen? Das wird niemanden interessieren, wenn Sie dieses Lächeln zeigen und die Augen niederschlagen wie eine schüchterne Jungfrau.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Denken Sie darüber nach, Donna Cecilia. Es ist spät in der Nacht, ich werde Ihnen mein Schlafzimmer abtreten und mit einem Sofa in einem meiner Salons vorlieb nehmen. Buona Notte.« Er erhob sich und beugte sich formvollendet über ihre Hand.
Cecilia blieb allein im Zimmer zurück. Sie stürzte den restlichen Wein hinunter und hätte sich beinahe verschluckt. Ihre Haut prickelte, wo er sie berührt hatte. Sie meinte immer noch, seine warmen Finger zu spüren. Was konnte aus einer zarten Berührung seiner Hände alles werden? Das
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