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Palazzo der Lüste

Palazzo der Lüste

Titel: Palazzo der Lüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabell Alberti
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Organza, in dem sie süßer aussah als ein Engel und jede Sünde wert war. Ein Strohhütchen und ein zum Kleid passender Sonnenschirm vervollständigten ihr Aussehen. Nicolò trug dazu passend einen seidenen Rock in eisgrau.
     
Er führte sie durch ein Gewirr kleiner Gassen zunächst auf die Piazza San Marco und vorbei an dem berühmten Marcuslöwen. Dort blieben sie einen Augenblick stehen, und Cecilia sah mit in den Nacken gelegtem Kopf die Säule empor, auf der der geflügelte Löwe thronte.
     
»Wenn das nicht Signore Capelli und Donna Cecilia sind.«
     
Die freundliche Stimme drang unangenehm in Cecilias Ohr. Konnte sie vor Lucrezia Trebiso nirgendwo sicher sein? Diesmal war sie in Begleitung einer älteren Matrone, die sie als ihre Mutter vorstellte. Lucrezia trug heute ein weißes Kleid mit kleinen Veilchenblüten bedruckt, ihre Mutter eine steife Robe in einer Pfirsichfarbe, die einer schlankeren Frau besser gestanden hätte.
     
Cecilia knickste artig vor Donna Maddalena und Nicolò verbeugte sich.
     
»Ich habe gerade meiner Mutter erzählt, welch einen reizenden Tag ich gestern verbracht habe. Ich bin Ihrer Mutter so dankbar für die Einladung. Das müssen Sie ihr unbedingt sagen.« Sie schenkte Nicolò einen hinreißenden Augenaufschlag.
     
»Das werde ich machen«, lachte der, und dann gebot ihm die Höflichkeit zu fragen: »Wollen die Damen uns begleiten? Wir sind auf dem Weg zu Santa Maria della Pietà. Donna Cecilia möchte Maestro Tiepolo bei der Arbeit sehen.«
     
»Er ist wieder in der Stadt? Ich wusste gar nicht, dass er zurück ist aus den bayerischen Landen«, sagte die Mutter und bewies damit mehr Interesse an Malerei, als Cecilia ihr zugetraut hätte. »Ich sah einmal seine Fresken in der Villa Pisani. Wir sollten hingehen. Es würde diesem übermütigen Kind«, dabei zupfte sie am Ärmel ihrer Tochter eine Rüsche zurecht, »gut tun, ein wenig Kunst zu betrachten. Sie richtet ihren Sinn nur auf leichtfertige Dinge.«
     
Lucrezia zog zu den Worten ihrer Mutter einen Schmollmund.
     
Zu viert verließen sie die Piazza San Marco und gingen den Riva degli Schiavoni entlang. An den Molen lagen derzeit nur wenige Schiffe. Cecilia konnte sich vorstellen, wie es hier zur Blütezeit der Serenissima von Schiffen aus aller Herren Länder geradezu gewimmelt haben musste.
     
Die Kirche Santa Maria della Pietà lag eingezwängt zwischen Häusern, und hätte sich nicht ein Kreuz auf dem Dachfirst befunden, hätte das Bauwerk auch eine Stadtvilla oder das Gebäude einer Scuola sein können. Die Fassade war noch unvollendet, und Cecilia wusste von ihrer Studienfreundin, dass dies auch noch bis Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts so bleiben würde. Erst dann wäre Geld vorhanden, die Bauarbeiten zu beenden.
     
»Gib auf dein Kleid acht«, mahnte Maddalena Trebiso ihre Tochter, als sie in die Kirche traten. Sie selbst hielt den Saum ihres Kleides sorgfältig hoch, damit er nicht mit dem Staub auf dem Steinboden in Berührung kam. Lucrezia tat es ihr nach.
     
Hoffentlich bereuen sie es, hergekommen zu sein und treten den Rückzug an, dachte Cecilia, als sie das gezierte Getue bemerkte. Sie selbst kümmerte sich nicht um den Staub auf den Bodenplatten, sondern hatte den Blick zur unverputzten Decke des Kirchenschiffes erhoben. Tiepolo hatte also mit der Ausführung der Fresken noch nicht begonnen. Auch im Chorraum war die Decke noch in dem gleichen rohen Zustand. Schade! Aber vielleicht könnte sie die Skizzen sehen oder die Zeichnungen auf Karton, mit deren Hilfe die Umrisse auf den feuchten Putz übertragen wurden.
     
Ein Mann kam auf sie zu. Er war ungefähr Mitte fünfzig, trug einen schwarzen Kittel über einem weißen Hemd, dessen Kragenspitzen zu sehen waren. In der Rechten hielt er einen Kohlestift mit schwarz verfärbten Fingern. Der Meister persönlich. Würde er sich dazu herablassen, seine Kunst mit ihnen zu teilen? Cecilia spürte einen Kloß in ihrer Kehle – nie hätte sie gedacht, einmal einem der großen Maler der Vergangenheit leibhaftig gegenüberzustehen.
     
Sein Blick blieb auf Nicolò haften. Über die Damen Trebiso war er schnell hinweggeglitten, auf ihr hatte er länger verweilt.
     
»Meine junge Verwandte, Donna Cecilia, hat den Wunsch geäußert, Sie bei der Schaffung ihrer Werke zu besuchen. Sie ist eine große Bewunderin Ihrer Kunst«, grüßte Nicolò den Meister.
     
Cecilia knickste.
     
»Es ist selten, dass so junge Dinger die Kunst zu schätzen wissen. Die jungen

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