Pamiu Liebling der Goetter
und mich sofort über Neferiabets Aufenthaltsort unterrichtet hast. Ich lasse sie heute in die Faijum-Oase bringen, wo sie bis zur Grablegung unseres Vaters verweilen wird. Ich habe beschlossen, sie zu heiraten, denn sie ist eine Dämonin, und nur ein Gott kann ihre böse Macht im Zaum halten. Ich weiß, dass du es für gut befinden wirst, denn dieses Weib ist schlecht für einen Mann. Wenn ich Krummstab und Geißel halte, wirst du der höchste Würdenträger in Kemet sein. Deine Bauwerke sollen die Zeit überdauern, und dein Ruf wird dir über die Grenzen Kemets hinaus weit vorauseilen. Lohnt es sich nicht danach zu streben, mein Freund? Was ist die Liebe schon? Vergänglich und tückisch. Reiche mir die Hand und entscheide dich für Kemet. Ich verlange nur eines von dir – vergiss sie auf ewig!“
Pamiu nahm Neferiabets Schriftrolle und las auch sie noch mal. Sodann erhob er sich und ging hinüber zum Feuerbecken, in dem noch immer Glut von der letzten Nacht vorhanden war. Er blickte auf die beiden Schriftrollen in seiner Hand und wog sie gegeneinander auf. Sein Herz schien ihm zu zerspringen. Zögernd blickte er zuerst die eine und dann die andere an. Sein Herz schlug für Neferiabet, doch wann hatte er sich in seinem Leben schon einmal auf sein Herz verlassen können. Der Weg der Rationalität, der Weg der Macht war der einfachere und vertrauenserweckendere. Er hätte gerne seinem Herz vertraut, doch er vermochte es nicht mehr. Letztendlich war er mit seinem Verstand immer besser bedient gewesen. Dieser verursachte ihm zumindest keine Qual in seinem Ka. Schließlich nahm er Neferiabets Schriftrolle und legte sie in das Feuerbecken. Die Glut fraß sich langsam durch den Papyrus und verschlang Zeichen für Zeichen. Pamiu drehte sich um, schloss die Augen und presste Khufus Sendschreiben an seine Brust.
Ich bin Isis, die liebende Mutter und Gemahlin
Ich diene meinem Gatten und behüte meinen Sohn
Ich wache über ihren Schlaf und begrüße sie am Morgen
Als Königin der Sehnsucht
Kapitel 6
Pamiu überprüfte noch einmal den Sitz seines Schurzes, legte die goldenen Oberarmreifen des Obersten Baumeisters an, die Khufu ihm hatte überbringen lassen, und hielt schwere Ringe an die Ohrläppchen. Er zog den schwarzen Koholstrich selber noch einmal nach und überlegte, ob er zum gegebenen Anlass lieber den schweren Halskragen aus Lapislazuli oder das goldene Pektorale mit dem Löwenkopf wählen sollte. Er entschied sich für das Pektorale, das auf seiner vergleichsweise schmalen Brust leicht und jugendlich wirkte. Er fühlte sich jung. Es schien, als wäre der gesamte Schwermut aus dem Palast verschwunden, seit Osiris-Snofru am gestrigen Tag seine Sonnenbarke bestiegen hatte. Pamiu war guter Dinge, denn ein neuer König verhieß neue Stärke für das gesamte Land. Er hatte es nicht bereut, sich für Khufu entschieden zu haben, verhieß er doch ein starker König zu werden – mit ihm an seiner Seite. Trotzdem ließen die Gedanken an Neferiabet nicht nach. Er verfluchte sich dafür, aber er konnte nichts dagegen tun. Bisher hatte er sie nicht gesehen, doch er wusste, dass auch sie gestern im Palast eingetroffen war. Er fragte sich, ob sie bis zuletzt gehofft hatte, dass er sie holen würde, um ihren waghalsigen Plan mit ihr umzusetzen. Er trat hinaus in die Säulenhalle und ging Richtung Thronsaal. Auf dem Weg dorthin traf er auf Meritates. Ehe er so tun konnte, als hätte er sie nicht gesehen, war sie schon bei ihm und lächelte ihn kühl an.
Pamiu verbeugte sich pflichtschuldig und wartete, bis sie ihn ansprach.
„Heute ist ein großer Tag für dich, Pamiu. So hast du es letztendlich doch noch geschafft, deine Ziele zu erreichen.“
„Ich hatte niemals irgendwelche anderen Ziele, als dem Pharao und Ägypten zu dienen.“
Meritates nickte. Ihre Augen wirkten müde, und ihre Mundwinkel hatten einen vergrämten Zug angenommen. „Natürlich, Pamiu, das bezweifle ich nicht.“ In ihrer Stimme lag Zynismus. „Ich denke, für Neferiabet wird dieser Tag nicht ganz so glücklich sein wie für dich.“
Sie hatten den Thronsaal erreicht, und die großen goldenen Flügeltüren wurden geöffnet. Meritates wandte sich ab, um gemeinsam mit ihrem Gemahl den Thronsaal zur Audienz zu betreten. „Genieße diesen Tag, Pamiu, denn Tage wie dieser sind kostbar – ich weiß es.“
Khufu und Meritates wirkten wie Statuen auf den schlichten Thronsesseln. Pamiu hatte Khufu schon oft mit dem Nemes-Tuch gesehen, doch
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