Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
zog sich ihre Bluse aus und hakte die Öse ihres BH´s auf. Ihre vollen Brüste kamen höchst selten in den Genuss uneingeschränkter Freiheit. Heute gönnte sie ihnen dieses Privileg. Sie mochte es ohnehin nicht, im Spiegel die scharfen Kontraste von Blässe und Bräune auf ihrer Haut wahrzunehmen. Hier war sie schließlich ungestört. Über ihr Gesicht schob Charly den alten Strohhut ihrer Großmutter. Sie fühlte sich angenehm dösig. Ihre Gedanken schweiften zurück zum gestrigen Tag.
Insgeheim musste sie Don recht geben. Die Praxiseröffnung sah tatsächlich nach einem Erfolg aus. Es waren viel mehr Leute gekommen, als sie erwartet hatte. Zunächst waren da die alten Bekannten ihrer Großeltern, dann die Quilt - Ladys, ihre Verwandten, die Familie Tanner, Don natürlich und der Bürgermeister. Viele Geschäftsleute, die sie unmöglich alle benennen konnte, Janets Familie, die sich neugierig umsah. Gegen Abend kamen Marc Cumberland und Elizabeth mit einigen Arztkoll e gen, der Inhaber der Apotheke, eine Abordnung des Schönheitssalons, natürlich auch die Handwerker, die diesen Umbau tatkräftig vorangetri e ben hatten, dann ein kleines Gefolge des zahntechnischen Labors, der Direktor der Bank, Robert Ganderton - ihr Steuerberater und und und. Sie hatte so viele Hände geschüttelt. Nur einer war der Einladung nicht gefolgt - ihr eigener Vater, Nathan Svenson.
Bereits als kleines Mädchen, nachdem ihre Mutter und sie St. Elwine bei Nacht und Nebel verlassen hatten, brachte Charlotte Stunden damit zu, auf ihren Vater zu warten. Ihr Herz hing an diesem Mann und sie hoffte inbrünstig, er würde sich bei ihr melden. Wenn schon nicht, um sie zurück zu bringen, dann doch wenigstens um mit ihr zu reden und um ihr das Unbegreifliche ein wenig verständlicher zu machen. Aber er war nie gekommen. Auf die Verzweiflung und die Trauer ihn verloren zu haben, waren Wut und Enttäuschung gefolgt. Später war Bitterkeit und Verachtung an deren Stelle getreten. Doch irgendwo ganz tief in ihrem Innern, wartete das kleine Mädchen noch immer auf ihren Daddy - auf sein Erscheinen, auf ein noch so kleines Zeichen von ihm. Schließlich hatte er sie angeblich in Liebe gezeugt.
Nathan Svenson lebte jetzt mit Annie, seiner zweiten Frau, in Kanada. Ihre gemeinsamen Töchter Thery und Emma, Charlottes Halbschw e stern, waren bereits ebenfalls erwachsen. Mehr wusste sie nicht über sie. Nathan war von Beruf Statiker und hatte den Bau unzähliger Brücken überwacht. Nur die Brücke zum Herzen seiner ersten Tochter, hatte er nicht finden können. Charly seufzte leise. Es war ihr stets gelungen, den Schmerz zu überwinden. Auch dieses Mal würde sie es schaffen. Doch es blieb eine Leere in ihrem Innern zurück.
Tyler beobachtete schon von weitem, dass Charlotte und der Sheriff an der Gartenpforte standen. Sie schienen ganz in ihren Flirt vertieft, wie er plötzlich missgelaunt feststellte und so wendete er seinen frisch reparierten Pick up. Er verspürte nicht die geringste Lust, Don Ingram in die Arme zu laufen. Tyler mochte den Mann nicht. Charlotte Svenson hingegen sah das offensichtlich anders. Was ihn nicht sonderlich verwu n derte. Schließlich waren sie nie einer Meinung. Sie war eine richtige Zicke. Doch von ihrer Arbeit verstand sie offenbar eine ganze Menge. Da er die Sache mit ihrer Bezahlung ziemlich vergeigt hatte, wollte er ihr wenigstens angemessen zur Praxiseröffnung gratulieren. Am gestrigen Tag hatte er es jedoch nicht fertig gebracht, der offiziellen Feier beiz u wohnen. Tyler wusste aus Erfahrung, dass es stets einen großen Aufruhr gab, wenn er irgendwo in der Öffentlichkeit auftauchte. Es war Charlotte Svensons Party, also sollte sie auch im Mittelpunkt stehen. Alles andere wäre ihm nur peinlich gewesen. Deshalb hatte er beschlossen, ihr erst e i nen Tag später seine Aufwartung zu machen. Der Anblick von Charlotte und Don Ingram, die scheinbar heftig miteinander flirteten, machte diese Absicht allerdings zunichte. Er würde einfach ein paar Runden drehen und später noch einmal bei ihr vorbei schauen.
Als er vor dem Haus stand, entdeckte Tyler am Stützbalken der Veranda ein kleines Holzschild. „Bin im Garten“, las er und leuchtende Sonnenblumen wiesen ihm den Weg. Das Geräusch seiner Schritte wurde vom ebenso weichen, wie kräftigen Rasen, verschluckt. Er ging an herrlichen Blumenstauden vorbei. Verblüfft stellte er fest, wie gut Cha r lotte Svenson in die Umgebung eines märchenhaften Gartens
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