Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
nicht einmal mehr spürte, wie Tränen über sein Gesicht liefen. Gnädige Dunkelheit senkte sich über ihn und die Welt herum versank im Nebel.
Er bekam nicht mehr mit, dass die Gestalt, die ihn im Schutz der Bäume b e obachtet hatte, sich lautlos davon stahl.
21. Kapitel
Ryan hämmerte mit beiden Fäusten gegen die Eingangstür. Absolut nichts schien sich dahinter zu rühren. Er wusste es. Schließlich hatte er dies vor genau zehn Minuten schon einmal versucht. Anfangs hatte er befürchtet, Tyler wäre wegen der Sache mit seiner Telefonnummer noch sauer auf ihn. Doch eigentlich sah ihm das nicht ähnlich. Zumal sie gestern Abend telefoniert hatten und Ryan dabei erwähnte, dass er heute bei ihm vorbei schauen würde, nach der Schule und den täglichen Pflichten im Heim, versteht sich. Wenn Tyler etwas vorgehabt hätte, hätte er zumindest Bescheid gesagt. Er hatte ihn noch nie versetzt und der Junge spürte, trotz all seines üblichen Misstrauens Erwachsenen gegenüber, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Er hatte bereits in der Scheune nachgesehen und sich dabei überzeugen können, dass die Stute fort war. Von Toby fehlte ebenfalls jede Spur. Es war nicht ungewöhnlich, dass Tyler den jungen Mann beauftragte, außerhalb Besorgu n gen zu machen, überlegte er. Plötzlich bemerkte er im Augenwinkel eine Bewegung. Ryan fuhr erschreckt herum und sein Herz begann wie ein Presslufthammer gegen die Rippen zu wummern. Melody trabte g e mächlich heran und stieß ein leises Schnauben aus. Sie war reiterlos. Die leeren Steigbügel schwangen sanft im Rhythmus der Gangart hin und her. Er ging rasch zu ihr und griff nach den Zügeln. „Na, altes Mä d chen“, murmelte er, als das Tier den Kopf auf seine Schulter legte. Ryan führte sie in die Box. Er wusste bereits, dass das Pferd von Zaumzeug und Sattel befreit und anschließend gestriegelt werden musste. Doch d a für hatte er jetzt einfach keine Zeit. Hastig warf er ihr nur eine alte De c ke über und schnappte sich dann sein Fahrrad. Kurzerhand entschied er sich, bei den Nachbarn um Hilfe zu bitten. Die Tanners waren nette Leute. Das Kindermädchen öffnete und fragte, was los sei. Da er ledi g lich unzusammenhängende Worte stotterte, bat sie ihn herein. Er schü t telte protestierend den Kopf. Erst jetzt bemerkte er, dass in der Auffahrt ein kleines Auto parkte. Er kannte den Wagen, er gehörte Charlotte Svenson.
„Was gibt es denn?“, rief in diesem Augenblick Dr. Tanner vom Fuße der Treppe.
Ehe das Kindermädchen eine Erklärung abgeben konnte, trat Ryan einen Schritt vor. „Ich ... ich brauche Ihre Hilfe Doktor. Es ... es ist etwas passiert. Ich meine ... es muss etwas passiert sein. Drüben ... auf der Ranch.“
Charlotte steckte, neugierig, woher die aufgeregte Stimme kam, ihren Kopf aus der Tür des Nähzimmers. Als sie den Jungen erkannte, hörte sie intere s siert zu.
„Tyler“, stotterte Ryan atemlos weiter. „Er ist ... ist ...“
Liz legte beruhigend eine Hand auf seine Schulter, als sie die Treppe heru n ter gestiegen war.
„Sein Pferd“, versuchte es der Junge weiter. „Melody ... ist ohne ihn zurückgekommen ... ganz allein ... also ... Ihm muss was zugestoßen sein.“
„Vielleicht will er einfach nur zu Fuß nach Hause gehen und hat das Tier mit einem freundschaftlichen Klaps voraus geschickt“, gab Charlotte von oben zu Bedenken.
„Das denke ich nicht, Miss.“ Entschlossen schüttelte Ryan den Kopf. Was wenn die Frauen ihm nicht glaubten? Dann würde er schleunigst den weiten Weg ins Heim zurück radeln müssen. Aber damit würde er viel zu viel wertvolle Zeit vergeuden. Seine ganze Verzweiflung stand ihm ins Gesicht g e schrieben.
Elizabeth hatte sich bereits von seiner Unruhe anstecken lassen und griff nach ihrer Arzttasche. Charly stieg hastig die Stufen hinab, als ihre Cousine in den warmen Anorak schlüpfte. Liz wollte nach ihren Autoschlüsseln schnappen. „Mein Auto steht bereits draußen, das geht schneller“, bot Charlotte an. Sie glaubte zwar nicht, dass tatsächlich etwas Ernstes passiert war, aber schließlich konnte man ja nie wissen. Die grenzenlose Erleichterung in Ryans Zügen und sein kleiner ausgestoß e ner Seufzer, rührten sie einen flüchtigen Moment lang.
Sie überzeugten sich auf der Ranch, dass alles so war, wie der Junge es g e schildert hatte und überlegten gemeinsam, was nun zu tun sei.
„Wohin kann er geritten sein?“
Ryan zuckte mit den Schultern und sah Liz an.
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