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Pamuk, Orhan

Pamuk, Orhan

Titel: Pamuk, Orhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rot ist mein Name
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Jahr dabei, ein noch ungeschriebenes Buch zu illustrieren!«
    »Ja.«
    »Hat er dir geschildert, wovon das
Buch erzählen soll?«
    »Dies ist, wie er sagte, der Wunsch
unseres Padischahs: ein Buch, das dem Dogen von Venedig die Macht und den
Reichtum des Großen Osmanen, Schwert und Stolz des Islam, vor Augen führt und
ihm Ehrfurcht einflößt, nachdem nunmehr tausend Jahre seit der Hedschra unseres
Propheten vergangen sind und der Kalender des Islam das Jahr tausend zeigt.
Dieses Buch sollte in Wort und Bild von den wertvollsten und wesentlichsten
Dingen unseres Reiches erzählen, und wie in den Büchern der Klugheit sollte im
Herzen des Buches ein Bildnis unseres Großherrn seinen Platz haben. Und weil
man sich auch der Methoden der fränkischen Meister bediente, hätte es bei dem
Dogen von Venedig Bewunderung und den Wunsch nach Freundschaft erweckt.«
    »Das weiß ich alles, doch sollen
diese Köter und Bäume die wertvollsten und wesentlichsten Dinge des Großen
Osmanen sein?« fragte er, auf die Bilder deutend.
    »Mein seliger Oheim sprach davon,
daß jenes Buch nicht allein den Reichtum unseres Padischahs, sondern auch die
Macht seines Geistes und seine geheime Trauer zeigen würde.«
    »Das Bildnis unseres Padischahs?«
    »Das habe ich nicht gesehen, es muß
jetzt an einem Platz sein, wo es der unmenschliche Mörder versteckt hat, wer
weiß, in seinem Haus vielleicht.«
    Es sah jetzt so aus, als habe mein
seliger Oheim das Gold genommen, das dafür versprochene Buch aber nicht zuwege
gebracht, statt dessen nur ein paar in den Augen des Schatzmeisters wertlose Bilder
malen lassen. War ich nun in den Augen des Schatzmeisters einer, der diesen
unfähigen, des Vertrauens unwürdigen Mann aus irgendeinem Grund umgebracht
hatte, zum Beispiel, um seine Tochter heiraten zu können, oder vielleicht auch,
um das Blattgold zu verkaufen? Da ich aus seinen Blicken las, daß meine
Glaubwürdigkeit rasch abnahm, brachte ich mit letzter Kraft und in aller Eile
vor, mein Oheim habe mir gegenüber geäußert, der arme Fein Efendi könnte von
einem der an den Illustrationen beteiligten Meister ermordet worden sein. Ich
schilderte, wie der Oheim Olive, Storch und Schmetterling verdächtigt hatte,
konnte aber nicht länger darüber reden, denn weder reichten meine Beweise noch
mein Selbstvertrauen dafür aus. Und ich hatte das Gefühl, daß der Schatzmeister
des Großherrn mich jetzt für einen gemeinen Denunzianten und dummen Schwätzer
hielt.
    Deswegen sah ich in seiner
Erklärung, wir müßten den unnatürlichen Tod des Oheims vor der
Buchmalerwerkstatt geheimhalten, als ein erstes erfreuliches Zeichen für ein
gemeinsames Vorgehen mit mir. Die Bilder verblieben beim Schatzmeister. Während
ich unter den aufmerksamen Blicken der Wächter durch das Tor des Friedens
hinausging, das mich vor kurzem so erregt hatte, als sei es der Eingang ins
Paradies, fühlte ich mich erleichtert wie einer, der nach vielen Jahren
heimkehrt.

37
  Ich bin euer Oheim
    Mein Begräbnis war so schön, wie ich es
mir gewünscht hatte. Alle, die ich dabeihaben wollte, sind gekommen, und ich
bin stolz darauf. Unter den Wesiren, die sich zur Zeit meines Hinscheidens in
Istanbul aufhielten, erinnerten sich der Hadschi Hüseyin Pascha von Zypern und
Baki Pascha der Hinkende getreulich an die großen Dienste, die ich ihnen
einstmals erwiesen hatte. Das Eintreffen des Finanzmeisters, Melek Pascha der
Rote, dessen Stern erstrahlte in den Tagen meines Todes, an dem aber ebensoviel
bemängelt wurde, brachte Bewegung in den bescheidenen Hof der Moschee unseres
Viertels. Mit großer Zufriedenheit nahm ich die Ankunft des Obersten Tschausch
Mustafa Agha wahr, dessen Rang auch mir zugekommen wäre, wenn ich am Leben
gewesen wäre und weiter an den Staatsgeschäften teilgenommen hätte. Der
Memoranden-Sekretär Cemalettin Efendi, die Diwan-Tschausche, alle entweder
meine besten Freunde oder schlimmsten Feinde, der stets lächelnde Schriftführer
Salim Efendi der Harte, der immer noch seine Zuversicht bewahrte, ehemalige
Amtsleute des Diwans, die sich früh aus den Geschäften zurückgezogen hatten,
meine Freunde aus der Medrese, andere Leute, von denen ich gern gewußt hätte,
wie und woher sie von meinem Ableben erfahren hatten, nahe und ferne
Verwandte, junge Leute – sie alle bildeten eine große, gesetzte und höchst ansehnliche
Gesellschaft.
    Ich konnte stolz sein auf die
ehrliche Trauer der Gemeinde. Die Anwesenheit des Großherrlichen Schatzmeisters
Hazim

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