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Pamuk, Orhan

Pamuk, Orhan

Titel: Pamuk, Orhan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rot ist mein Name
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Unterhalt für den Derwisch Mehmet aus Täbris
und die meisten anderen seinesgleichen unter den persischen Buchmalern in der
Werkstatt unseres Padischahs; einen guten Jagdfalken mitsamt seinem Käfig;
zwölf Krüge von Panayots Wein; eine paradiesische Stunde mit Mahmut, einem der
weltberühmten Knaben, und noch viele andere Möglichkeiten, die gar nicht alle
aufgezählt werden können.
    Bevor ich hier ankam, habe ich
einmal zehn Tage in dem schmutzigen Strumpf eines armen Schusterjungen
verbracht. Jede Nacht hat der Ärmste vor dem Einschlafen eine unendliche Liste
jener Dinge gemacht, die er sich durch mich verschaffen könnte. Die einem süßen
Wiegenlied gleichenden Verse jenes langen Gedichts bewiesen mir, daß es kein
Loch gibt, wohin das Geld nicht gelangen kann.
    Ich sagte »Loch«, und dabei fällt
mir etwas ein. Es würde Bände füllen, wenn ich alles erzähle, was mir geschah,
bevor ich hier eingetroffen bin. Wir sind unter uns, ihr werdet es niemandem
weitersagen, und wenn's mein Storch Efendi nicht verübelt, werde ich euch ein
Geheimnis verraten. Schwört ihr?
    Gut. Ich gestehe es. Ich bin kein
echtes Goldstück des Sultans der Osmanen von zweiundzwanzig Karat aus der
Münzanstalt am Çemberlitaş, sondern eine falsche Münze. Man hat mich in Venedig
aus geringerem Gold gefertigt, hierhergebracht und als osmanische Goldmünze in
Umlauf gesetzt. Ich danke euch für das mir bezeigte Verständnis.
    Wie ich in der venezianischen
Münzanstalt erfuhr, betreibt man dort diese Tätigkeit seit Jahren. Bis vor
kurzem waren sogar die in der venezianischen Münze geprägten eigenen Dukaten,
die das ungläubige Venezianerpack in den Osten brachte und verbreitete, aus
minderem Gold. Und weil die Osmanen jener Logik Respekt zollen, daß der Gehalt
mit der Aufschrift übereinstimmt, und dem Goldgehalt des Dukaten keine
Beachtung schenken, solange die Aufschrift dieselbe ist, haben sich die
falschen Venezianer in ganz Istanbul ausgebreitet. Später ging man daran, den
Unterschied zum härteren Falschgeld mit weniger Gold- und höherem Kupfergehalt
herauszufinden, indem man kräftig draufbiß. So bist du zum Beispiel im
Liebesfieber entbrannt und eilst zu dem wunderschönen Knaben Mahmut, in den
alle Welt verliebt ist, doch er nimmt zuerst nicht das andere Ding in den Mund,
sondern die Münze, beißt darauf, sagt, sie ist falsch, und führt dich nicht
für eine, sondern nur für eine halbe Stunde ins Paradies. Als der giaurische Venezianer
sah, zu welch unerfreulichen Ergebnissen seine Falschmünzerei führte, meinte er
bei sich, dann werde er eben die osmanischen Goldmünzen fälschen, sie würden
auch das nicht merken.
    Jetzt muß ich auf etwas Seltsames
hinweisen. Wenn dieser venezianische Giaur nun Bilder malt, dann fertigt er
kein Bild an, sondern gleichsam das Echte des abgebildeten Gegenstandes. Doch
wenn er Münzen prägt, dann sind es keine echten Münzen, sondern er macht
Falschgeld.
    Wir wurden in Venedig in eiserne
Kästen geladen, haben die Schiffe bestiegen und sind durchgeschaukelt und
durchgeschüttelt in Istanbul angekommen. Ich fand mich bei einem Geldwechsler,
in dem knoblauchduftenden Mund des Meisters, wieder. Nach kurzem Warten kam
ein törichter Bauer herein, der eine Goldmünze wechseln wollte. Der alte Gauner
von Geldwechsler sagte: »Mal sehen, ob das Gold falsch ist, gib her, ich muß
draufbeißen« und nahm das Goldstück des Bauern in den Mund.
    Als wir uns in seinem Mund trafen,
sah ich, daß die Münze des Bauern echtes osmanisches Gold war. »Du bist
Falschgeld«, sagte sie, als sie mich inmitten der Knoblauchdüfte entdeckte. Sie
hatte recht, aber weil ihre hochmütige Art meinen Stolz verletzte, log ich und
sagte: »Die eigentliche Fälschung bist du!«
    Unterdessen prahlte der einfältige
Bauer: »Mein Goldstück und eine Falschmünze! Ich habe sie vor zwanzig Jahren
vergraben, hat es damals wohl schon eine solche Verderbnis gegeben?!«
    Während ich neugierig war, was nun
geschehen würde, holte der Wechsler nicht das Gold des Bauern, sondern mich aus
seinem Mund. »Da, nimm dein Gold, ich will nichts wissen von dem Falschgeld
des ungläubigen Venezianerpacks! Schämst du dich nicht?!« sagte er und
schimpfte den Einfaltspinsel noch aus. Der vergalt es ihm mit gleicher Münze,
dann nahm er mich und ging fort. Als er von anderen Wechslern Ähnliches zu
hören bekam, brach es ihm das Herz, und er tauschte mich für neunzig Asper ein.
So begann mein siebenjähriges, nimmer endendes

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