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Pandablues: Roman (German Edition)

Pandablues: Roman (German Edition)

Titel: Pandablues: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Sabbag
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zu verlassen, war allerdings eine wirkliche Leistung, die ich Renate hoch anrechnete.
    Bei ihrem Ausflug hinter Gittern hatte Renate außerdem zufällig Kumi Naidoo, Chef von Greenpeace International , kennengelernt, der kurz zuvor festgenommen worden war. Er war persönlich auf die Ölplattform Leiv Eiriksson vor der Westküste Grönlands geklettert, um dort den Notfallplan der Betreiberfirma einzusehen und um fünfzigtausend Unterschriften gegen Ölbohrungen in der Arktis zu überreichen.
    Da Marlene seit ihrer Kindheit radikale Greenpeace-Aktivistin war, die auch schon mal meine Discounter-Garnelen vom Teller einsammelte, wenn ich deren genaue Herkunft nicht kannte, und Herrn Naidoo seit jeher für seine Aktionen anbetete, konnte Renate die unangenehme Sache mit der illegalen Jagd bei Marlene mit einem Naidoo-Autogramm wiedergutmachen.
    Renate hatte sogar mit Jörns Handykamera gefilmt, wie er das Fleischessen verweigerte und aus Protest auch noch nach drei Tagen keine feste Nahrung zu sich nahm. Marlene war schwer beeindruckt und freute sich auf dieses einmalige Kleinod ihrer Greenpeace-Karriere.
    Jürgen wusste mittlerweile von Marlenes Leidenschaft, hielt Herrn Naidoo aber zuerst für einen deutschen Rapper und dann für Marlenes fünfundsechzigjährigen Tai-Chi Lehrer. Als er aufgeklärt wurde, dass es neben ihm noch einen anderen Mann in Marlenes Leben gab – zumindest gedanklich –, reagierte er wie immer gelassen.
    »Ach, das macht mir nichts«, sagte er, als ich ihn beim heimlichen Burgeressen in der Stadt erwischte. »Marlenes Tofu-Variationen stellen eine weitaus bedrohlichere Gefahr für mich dar als dieser Mann.«
    Damals musste ich sehr darüber schmunzeln. Jürgen reagierte nämlich wie Eric.
    Denn in einer Hinsicht war ich meiner Tante sogar ähnlicher als ich wollte: Auch ich schwärmte seit Jugendtagen für einen Mann, in den ich bis heute heimlich verliebt war.
    Tante Marlene war nicht nur aktive Greenpeacerin und aktive Hardcore-Veganerin, sondern auch aktive Buschtrommel, und so kam Eric beim letzten Besuch von Marlene und Jürgen nicht umhin, eingehend über meine (eigentlich geheime, aber was heißt das schon im vertrauten Kreise der Familie?) Leidenschaft für Götz Alsmann informiert zu werden.
    »Ach, Eric, das wusstest du nicht? Eine ganz verrückte Leidenschaft meiner Nichte, kaum zu glauben, aber sie behauptet doch glatt, seit fünfzehn Jahren in ihn verliebt zu sein, weil er so toll re-det !« Tante Marlene sagte das nicht ohne einen gewissen Unterton, schlug die Augen dabei theatralisch zum Himmel und verzog ihr faltenfreies Gesicht. »Wenn es doch wenigstens einer wie der Leonardo Carpaccio wäre, aber so …«
    »Reden geht immer«, antwortete Eric gelassen, »nur gegessen wird zu Hause.«
    Ich reagierte passend zum Thema mit einem telegenen Lächeln und beließ es dabei.
    Daraufhin rümpfte Marlene damals schnippisch ihre tofuverwöhnte Nase. Sie hatte wahrscheinlich auf eine spannendere Abendunterhaltung à la Kramer vs. Kramer gehofft.
    »Was sagst du nun zu den Plänen deiner verrückten Mutter?«, riss Marlene mich aus meinen Gedanken.
    »Also, ich freue mich für sie«, gab ich entschieden zurück. »Lass sie doch heiraten, wen sie will.«
    »Ja, ja«, knurrte Marlene in den Hörer. »Ich weiß schon, wer am Ende die Scherben aufsammeln muss.«
    Marlene spielte auf Renates Eskapaden in Sachen Männer an, die in den letzten Jahren in unerträglichem Maße zugenommen hatten.
    Doch mit Jörn war sie nun schon seit über einem Jahr glücklich und hatte mit ihm sogar die Zeit im Kittchen überstanden – das sollte für jeden was heißen und erst recht für meine etwas labil veranlagte Mutter.
    »Warte mal, ich pendle das mal eben aus«, sagte Marlene.
    Ich hörte ein lautes Rascheln in der Leitung.
    Als sie wieder zurückkam, meinte ich, einen leichten Windhauch durch den Hörer wahrzunehmen, der alle paar Sekunden daran vorbeizuziehen schien.
    »Aber was …«, fragte ich nach, wurde allerdings sofort unterbrochen.
    »Psst! Ich muss mich konzentrieren!«
    Ich wusste schon, als ich noch ganz klein war, dass meine Familie ein wenig anders war als andere Familien. Spätestens, als andere Kinder mit ihren Eltern Sonntagsausflüge in den Zoo machten und in den Schulferien an die Nordsee fuhren, während wir unsere Freizeit auf Anti-Atomkraft-Demos und unsere Ferien in indischen Ashrams verbrachten, war es offensichtlich, dass Renate eher zu den untypischen alleinerziehenden Müttern

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