Pandablues: Roman (German Edition)
ihr saß und natürlich hörte, was sie sagte. Sowieso verstand sie sich meisterhaft darauf, von Menschen in der dritten Person zu sprechen, die sich unmittelbar neben ihr oder zumindest im gleichen Raum befanden.
Eric blieb grandios gelassen und summte das vierundvierzigste Flippers-Lied mit. »Also, ich für meinen Teil hätte schon gerne Kinder …«, sagte Eric unbeeindruckt und steckte sich einen Zimtstern aus der Schale vom Wohnzimmertisch in den Mund.
Ich musste daran denken, wie Eric und ich uns kennengelernt hatten: Wir hatten beide unser eigenes Kind erfunden, um den anderen zu beeindrucken. Ich wusste genau, wie sehr Eric Kinder liebte.
Oma Melitta riss panisch die faltigen Äuglein auf.
Aber noch bevor sie etwas sagen konnte, schritt ich ein. »Wir gehen dann jetzt mal den Baum holen, ja?«, sagte ich schnell und zog Eric an der Hand hinter mir her.
Ich hörte noch, wie Melitta ihm ein »Warst du bei der Wehrmacht? Du warst doch bei der Wehrmacht, oder?« hinterherrief.
Sie legte besonderen Wert darauf, dass ihre Enkelin keinen »verweichlichten Zivilisten« abkriegte und meinte damit natürlich Zivildienstleistende im Allgemeinen. Dass Eric als Sanitäter bei der Bundeswehr gewesen war, würde ich ihr natürlich nicht sagen. Draußen atmete ich tief durch.
»Ich weiß gar nicht, was du immer mit deiner Familie hast. Sie sind doch alle richtig nett!«, äußerte Eric seinen ersten Eindruck.
Er schien sich im Laufe des Tages meisterhaft integriert zu haben und stapfte in den sicher vier Nummern zu großen Gummistiefeln zum Wagen.
Ich antwortete lieber gar nicht, er wusste ja nicht, was ihn noch erwartete. Allerdings schlug er sich bis jetzt wirklich tapfer, das musste man ihm lassen.
*
Am Weihnachtsbaumverkaufsstand im Wald von Waldbauer und Förster Heinrich angekommen, suchten wir nach einem passenden Exemplar. Heinrich, ausgestattet mit einem prächtigen Zwirbelbart, der nach rechts und links mindestens je zehn Zentimeter abstand und kunstvoll aufgezwirbelt war, und einem grünen Filzhut, stapfte winkend auf uns zu. Er begrüßte mich freudestrahlend, und er erinnerte mich wie immer ein bisschen an Meister Eder.
»Na, das ist ja was! Unsere Lotte! Und mit Mann !«
Er sagte es in einem ähnlichen Ton wie man »Oh ein Flamingo, mitten im Wald, und mit Hut!« sagen würde.
»Und so propper!«
»Hallo Heinrich. Schön, dich zu sehen.«
»Und, wie geht’s, wie steht’s?«, fragte er, nicht ohne Eric dabei von Kopf bis Fuß zu mustern.
Irgendwie liefen die Gespräche hier jedes Jahr nach dem gleichen Muster ab, gleich würde Heinrich bedauern, dass ich mich lange nicht mehr hatte blicken lassen.
»Hast dich ja lange nicht mehr blicken lassen, Lotte-Kind!«
»Ich wohne ja auch in Köln, Heinrich«, stöhnte ich und rang mich zu einem Lächeln durch, während ich bereits nach dem besten Tännchen Ausschau hielt.
»Was hast du denn auf einmal gegen die schöne Natur hier?«, beschwerte sich Heinrich theatralisch. »Früher hast du immer gerne hier im Wald gespielt!« Er rümpfte kopfschüttelnd die Nase: »Die Kinder, die Kinder.«
»Ja, aber da war ich auch vier!«
Heinrich winkte schnaubend ab. »Und Sie sind der Glückliche, ja?«, fragte er in Erics Richtung und verpasste ihm einen gut gemeinten Rückenklapser, bei dem Eric fast vornüber fiel.
»Äh, ja. Das bin ich«, räusperte Eric sich und zog seinen Kragen wieder zurecht.
»Na denne! Unsere Lotte ist doch ein echtes Original, was? Sie hat hier im Wald immer auf Bambi und seine Freunde gewartet, manchmal tagelang, harharharhar!«
»Heinrich, ich war vi-hier!«, erinnerte ich ihn noch mal.
Gut, dass es so kalt geworden war und mittlerweile auch dämmerte – Eric musste mein vor Peinlichkeit rot angelaufenes Gesicht nicht unbedingt sehen.
Heinrich erzählte munter weiter, er schien die letzten siebenundzwanzig Jahre ausgeblendet zu haben. »Und da vorne, in den Bachlauf da, da ist die Gute doch mal glatt mit meinem Ponywagen reingefahren. Der arme alte Fritz, mein Gaul, hätte sich beinahe alle Knochen gebrochen!« Heinrich lachte laut auf, während er sich den Bart zwirbelte.
»Heinrich, wie gesagt, ich war da vielleicht vier oder höchstens fünf …«
»Also da warst du sicher schon sieben«, warf er ein.
Poeh!
Keine drei Stunden nach Ankunft im Outback – und mich überkam ein spontaner Fluchtreflex.
»Ich suche einen wirklich gut gewachsenen Baum für Melitta!«, wechselte ich das Thema, um weiteren peinlichen
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