Pandablues: Roman (German Edition)
auf dem Absatz kehrtgemacht und Mona die Flasche gebracht. Sie kannte sich wohl aus mit derartigen Notsituationen.
Ich setzte die Flasche an und nahm einen großen Schluck.
Alkoholfreier Sekt!
Ich war auf dem absoluten Tiefpunkt angekommen.
Dabei könnte ich gerade jetzt einen Doppelkorn gebrauchen. Oder zwei. Oder siebzehn.
Ich stellte mir vor, dass es nicht dieses schlappe Ersatzgesöff sei, sondern eine echte, tolle Flasche Martini.
»Scheiße, so ganz ohne Olive«, kommentierte ich meinen Gedanken und nahm einen großen Schluck.
»Charly …«
»Ich will jetzt nichts hören«, sagte ich und nahm noch einen weiteren. »Bitte bring mich zu Trine. Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du noch schnell ein paar Sachen aus der Wohnung holst. Ich kann da jetzt nicht rein. Und falls Eric sich meldet, kein Wort darüber, wo ich bin. Du und Trine, ihr haltet dicht. Okay?«
Ich redete wie ferngesteuert, ich klang auf einmal kühl und völlig klar.
Mona nickte. »Okay.«
16. Kapitel
Wenn man nach den Wünschen für sein Leben gefragt wird, fällt einem meist so etwas ein wie glücklich sein oder gesund bleiben oder auch Erfolg haben.
Wenn ich jetzt so darüber nachdachte, hatte ich meine Wünsche für mein Leben nie so genau definiert. Natürlich wollte ich glücklich sein, erfolgreich und vor allem gesund. Aber wie genau das vonstatten gehen sollte hatte ich mir nie so richtig ausgemalt. Was ich allerdings wusste, war, dass ich mir mein Leben, so wie es jetzt gerade aussah, nie vorgestellt hatte.
Ich wollte nie betrogen werden, nie belogen werden. Ich wollte nie in einem viel zu engen, lächerlich anmutenden rosa Polyester-Kostüm in einem Café sitzen und meinen Freund, meine große Liebe, dabei beobachten, wie er einer Sauberfrau einen Ring schenkte. Einer Frau, die auch noch um Klassen besser aussah als ich. Ich wollte nie ungeplant schwanger werden, überhaupt nie schwanger werden, und schon mal überhaupt nicht von einem, der mich betrog.
Und ich wollte nie , nie wieder in Finns Ritterburgzimmer einziehen.
Aber genau da war ich nun gelandet, die leere Sektflasche auf dem Schoß.
Mona hatte mich bei Trine abgeliefert und dann meine Sachen geholt. Ich hatte meine Freundinnen gebeten, mich eine Weile in Ruhe zu lassen, damit ich mich sammeln konnte.
Jetzt saß ich hier: verlassen, verarscht, alleine. Mit nichts außer einer leeren Flasche (als ob das Übel nicht auch so groß genug war) alkoholfreien Sekts.
Ich fühlte mich genau wie die Flasche in meinem Schoß: leer. Wieder müsste ich von vorne anfangen, wieder bei null beginnen. In dem Moment, in dem ich Eric das Wort »Schatz« sagen gehört hatte, fühlte ich mich, als hätte man mir eine riesige Glasscherbe ins Herz gerammt. Ich merkte, dass ich die ganze Zeit, bei jeder Bewegung, diesen Stich gespürt hatte. Und jetzt, da meine Angst Wirklichkeit geworden war, wurde die Scherbe einmal im Herz umgedreht und herausgezogen, und Blut floss, auch wenn man es nicht sah.
Das Leben ist eine Zugfahrt , dachte ich, jede Enttäuschung ist nur eine Haltestelle, und wir müssen einfach weiterfahren.
»Vielleicht ist die große Liebe einfach nur eine Illusion«, murmelte ich leise vor mich hin.
Ich hatte nicht bemerkt, dass Finn gerade sein Zimmer betreten hatte.
»Tante Charlotte«, sagte er, setzte sich neben mich, ebenfalls in den Schneidersitz, lehnte seinen Kopf an meinen Arm und legte seine winzige Hand auf mein rechtes Bein. »Aufgeben gildet nicht.«
Verdammt weises Kind , dachte ich und musste mit Tränen in den Augen lächeln.
»Ach Finn …« Ich drückte mein Patenkind fest an mich. »Wenn das alles so einfach wäre!«
Finn sah mich ernst an. »Wie lange schläfst du hier?«
»Ich weiß es nicht, Finn«, seufzte ich.
Ich wusste es tatsächlich nicht, denn eine vernünftige Wohnung in Köln zu finden war nicht so einfach.
»Was musst du machen, damit du wieder glücklich bist?«, fragte Finn mich nun.
Verwundert sah ich ihn an.
Hatte er tatsächlich gefragt, was ich machen musste, damit ich wieder glücklich würde? Sagte man nicht im Allgemeinen, dass etwas passieren müsse? Aber nein, so war es wohl nicht. Seine Wortwahl war genauso treffend wie schmerzlich für mich.
Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung …«
»Dann denk nach!«, forderte er mich mit großen Augen auf.
Dieses Kind macht mich seit dem Augenblick seiner Geburt fertig, das ist nichts Neues. Aber dass ich von ihm jetzt auch noch eine Lebensberatung kassiere, ist ja
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