Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer
einem weiten Bogen, ein pfeilschneller Schemen, den man nur sehen konnte, wenn er in die Nähe der Scheinwerfer kam. Jetzt schoss er von links heran und flog einen neuen Angriff auf die Spiegelmänner. Einen erwischte er mit den Krallen und schleuderte ihn auf die Plattform vor dem Haus.
»Was machen wir mit ihm?«, wandte sich Vivana an Khoroj.
»Gehört dieses Monstrum etwa dir?«
»Ruac ist kein Monstrum. Er ist ein Lindwurm!«
»Er ist zu groß für die Gondel. Er muss uns nachfliegen.«
Vivanas Herz zog sich zusammen. Ruac hatte gerade erst fliegen gelernt. Wie lange konnte er in der Luft bleiben, bevor ihn die Kräfte verließen?
»Alle da?«, rief Khoroj nach hinten.
Vivana blickte zu ihren Gefährten, die sich in der Gondel drängten. »Godfrey fehlt!«
In der Verwirrung der letzten Minuten war offenbar niemand aufgefallen, dass der Aethermann noch nicht eingestiegen war. Vivanas Vater streckte den Kopf aus der Luke und rief: »Godfrey! Worauf wartest du?«
Von dem Seitenfenster aus konnte Vivana den Aethermann nicht sehen. Sie stürzte zum großen Vorderfenster und erblickte ihn am Rand der Plattform, wo er reglos dastand. Was war nur in ihn gefahren?
Ihr Vater, Liam, Nedjo und Lucien brüllten durcheinander und forderten ihn auf, zur Luke zu kommen. Godfrey schaute sie an, rührte sich jedoch nicht vom Fleck. Seine Lippen formten Worte, die im Geschrei und dem Dröhnen der Motoren untergingen. Vivana verstand sie trotzdem.
Es tut mir leid.
Godfrey wandte sich ab und ging ruhigen Schrittes den Spiegelmännern entgegen.
»Was macht er da?«, tobte ihr Vater. »Ist er verrückt geworden?«
»Schließt die Luke, wir müssen starten«, sagte Khoroj scharf, als die Maskierten auf die Plattform stürmten.
»Und Godfrey?«, rief Vivanas Vater aufgebracht. »Wir können ihn doch nicht einfach im Stich lassen!«
Ein Leibwächter des Südländers schob ihn von der Luke weg und schloss die Klappe. Das Luftschiff hob ab.
Fassungslos starrte Vivana aus dem Fenster. Ein Spiegelmann packte Godfrey. Er hätte noch genug Zeit gehabt, die Luke zu erreichen. Stattdessen hatte er sich ihren Feinden ausgeliefert. Freiwillig, ohne Not.
Das Luftschiff stieg weiter auf und befand sich jetzt über dem Wasser, drei Schritt von der Plattform entfernt und fünf darüber. Die beiden Spiegelmänner, die zur Gondel gelaufen waren, hatten keine Chance mehr, es zu erreichen. Sie gaben auf und gingen zu dem dritten, der Godfrey festhielt. Corvas stand tropfnass am Fuß der Treppe und rief etwas, woraufhin der Maskierte Godfrey losließ. Dieser strich seinen Anzug glatt, stieg die Stufen hinab und begann, mit dem Bleichen zu reden.
Auf einen Schlag war Vivana alles klar.
»Bei Tessarions Gnade, er hat uns verraten«, flüsterte sie.
»Was?«, fragte Liam entgeistert.
Die Worte schienen in ihrer Kehle festzustecken. »Wieso hat Corvas gewusst, wo der Spiegelsaal der Bleichen Männer ist? Oder dass wir uns im Wasserturm verstecken? Oder dass wir Vorod um Hilfe bitten würden? Weil es ihm jemand gesagt hat. Aber nicht die Krähen. Es war Godfrey.«
»Das kann nicht sein«, mischte sich ihr Vater ein. »Wann hätte er das tun sollen? Er war die ganze Zeit bei uns.«
»War er nicht. Heute Morgen ist er verschwunden, wisst ihr noch? Da hat er sich mit Corvas getroffen und ihm alles erzählt. Wahrscheinlich hat er gestern Abend das erste Mal Kontakt mit Corvas aufgenommen, nachdem er Madalins Wagen bei Bajo abgeholt hat. Das würde erklären, warum er so lange fortgeblieben ist.« Vivana dachte an all die Kleinigkeiten, über die sie sich in den letzten Tagen gewundert hatten. Godfreys unvermittelter Zornesausbruch. Seine Verschlossenheit. Sein Verrat kam nicht aus heiterem Himmel. Etwas war mit ihm geschehen, aber sie hatten den vielen Zeichen nicht genug Beachtung geschenkt.
»Jetzt weiß ich auch, warum er als Letzter den Wasserturm verlassen hat, als wir losgegangen sind«, sagte Liam. »Wahrscheinlich hat er Corvas eine Nachricht hinterlassen.«
»Godfrey«, murmelte Vivanas Vater. »Warum tust du uns so etwas an?«
»Hinsetzen und festhalten«, befahl Khoroj. »Die Sache ist noch nicht überstanden.«
Die Gefährten nahmen auf den Bänken im hinteren Teil des Steuerraums Platz und klammerten sich irgendwo fest. Vivana ließ sich in den Sessel neben Khoroj fallen. Die Motoren heulten auf, als der Südländer auf vollen Schub beschleunigte. Das Luftschiff fuhr auf die Klippe zu, die plötzlich aus der Schwärze
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