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Pandemonium

Pandemonium

Titel: Pandemonium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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komme nur an einem Menschen vorbei – einem großen, schlaksigen Typen mit feuerroten Haaren, der mich kurz ansieht und den Blick dann weiterschweifen lässt. Diese Fähigkeit habe ich mir in Portland angeeignet und nie verlernt: mich in mich selbst zurückzuziehen, mich unsichtbar zu machen. Ich gehe schnell an dem Raum vorbei, in dem die meisten Widerständler, Tack eingeschlossen, lachend und redend um das Radio herumsitzen. Jemand raucht eine selbst gedrehte Zigarette. Ein anderer mischt ein Kartenspiel. Ich sehe Tacks Hinterkopf und denke ein Lebewohl in seine Richtung.
    Dann gleite ich in die Nacht hinaus und bin frei.
    New York sendet immer noch seinen Lichterkranz in den Himmel südlich von uns – wahrscheinlich ist es noch eine gute Stunde bis zur Ausgangssperre und bis zur Stromsperre für den größten Teil der Stadt. Nur die allerreichsten Leute – die Regierungsbeamten, Wissenschaftler und Leute wie Thomas Fineman – haben unbegrenzten Zugang zu Strom.
    Ich laufe in die Richtung, in der ich den Highway vermute, und bleibe immer wieder stehen, um auf das Geräusch von Lastwagen zu lauschen. Meistens herrscht jedoch Stille, nur durchbrochen von Eulenschreien und kleinen Tieren, die durch die Dunkelheit huschen. Der Verkehr rollt sehr vereinzelt. Es ist zweifellos eine Straße, die praktisch nur für Warentransporte genutzt wird.
    Aber ganz plötzlich liegt der Highway vor mir – wie ein langer, breiter Fluss aus Asphalt, vom aufgehenden Mond beleuchtet. Ich wende mich nach Süden und verlangsame meine Schritte, mein Atem steigt in Wolken vor mir auf. Die Luft ist frisch, dünn und kalt, sie durchschneidet meine Lunge bei jedem Atemzug. Aber es fühlt sich gut an.
    Ich halte mich links vom Highway und achte darauf, nicht zu nah ranzugehen. Möglicherweise gibt es unterwegs Kontrollposten und das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, ist, von einer Patrouille aufgegriffen zu werden.
    Es sind ungefähr dreißig Kilometer bis zur Nordgrenze von Manhattan. Es ist schwierig, nicht das Zeitgefühl zu verlieren, aber ich schätze, es dauert mindestens sechs Stunden, bis ich in der Entfernung die hohe Betonmauer an der Stadtgrenze sehe. Ich bin nur langsam vorangekommen. Ich habe keine Taschenlampe und der Mond schaffte es die meiste Zeit nicht durch das dichte Geäst über mir, die miteinander verwobenen Zweige, eng verschränkte knochige Finger. Zeitweise musste ich mir den Weg geradezu ertasten. Glücklicherweise reflektiert der Highway rechts von mir ein wenig Licht, was mir bei der Orientierung geholfen hat. Sonst hätte ich mich sicher verlaufen.
    Portland war komplett von einem Maschendrahtzaun eingefasst, der angeblich unter Strom stand. In New York bestehen Teile der Grenze aus Beton und Stacheldrahtschleifen, mit hohen Wachtürmen in regelmäßigen Abständen, die leuchtende Scheinwerfer in die Dunkelheit richten und die Bäume auf der anderen Seite, in der Wildnis, anstrahlen. Ich bin immer noch etwa hundert Meter von der Grenze entfernt – die Lichter, die durch die Bäume hindurchblitzen, sind gerade so zu sehen –, aber ich ducke mich und schleiche langsam auf den Highway zu, wobei ich lausche, ob sich irgendwo etwas bewegt. Ich bezweifle, dass es auf dieser Seite der Grenze Patrouillen gibt. Aber schließlich verändern sich die Dinge ja gerade.
    Man kann nie vorsichtig genug sein.
    Etwa fünf Meter neben dem Highway ist ein langer flacher Graben, der von einer dünnen Schicht aus vermoderten Blättern bedeckt ist und in dem stellenweise Wasser steht. Ich klettere in den Graben und lege mich flach auf den Bauch. So müsste ich vom Highway aus weitgehend unsichtbar sein, selbst wenn eine Patrouille kommt. Feuchtigkeit sickert durch meine Jogginghose und mir wird bewusst, dass ich etwas Neues zum Anziehen finden muss, sobald ich in Manhattan bin. Ich kann unmöglich so durch die Straßen der Stadt laufen, ohne Verdacht zu erregen. Aber darum kümmere ich mich später.
    Es dauert lange, bis ich das entfernte Dröhnen eines Lastwagenmotors höre. Dann tauchen Scheinwerfer in der Dunkelheit auf und beleuchten wirbelnden Nebel. Der Lastwagen rumpelt an mir vorbei – riesig, weiß und mit dem Logo einer Supermarktkette beschriftet – und wird langsamer, als er sich der Grenze nähert. Ich stütze mich auf die Ellbogen. In der Grenzmauer ist eine Lücke, hinter der sich der Highway wie eine silberne Zunge erstreckt; sie wird von einem Eisentor versperrt. Als der Lastwagen anhält, tauchen

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