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Pandemonium

Pandemonium

Titel: Pandemonium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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errichtet. Raven hat mir gesagt, er sei einer der allerersten Stützpunkte gewesen und das Hauptquartier der ersten zusammengewürfelten Gruppe von Widerständlern, die aus verschiedensten Materialien eine Art Haus bauten, eine eigenartige Patchworkkonstruktion aus Holz, Beton, Stein und Metall. Das Haus sieht ziemlich wüst aus mit seiner frankensteinartigen Fassade, als könnte es gar nicht aufrecht stehen.
    Aber es steht.
    »Was ist?«, frage ich und drehe mich zu Julian um. »Kommst du oder nicht?«
    »Ich bin nie … es ist unglaublich.« Julian schüttelt den Kopf, als versuchte er aus einem Traum aufzuwachen. »Das ist ganz anders, als ich es mir vorgestellt habe.«
    »Wir können aus fast allem etwas erschaffen – aus allen möglichen Resten«, sage ich und mir fällt plötzlich ein, wie Raven mir nach meiner Flucht, als ich schwach war und nicht sicher, ob ich leben oder sterben wollte, fast genau das Gleiche gesagt hat. Das ist ein halbes Jahr und ein ganzes Leben her. Einen Moment verspüre ich einen Anflug von Trauer: um die Horizonte, die hinter uns verschwinden, die Leute, die wir hinter uns zurücklassen, unsere puppengleichen Persönlichkeiten, die weggepackt und schließlich beerdigt werden.
    In Julians Augen spiegelt sich jetzt der Himmel, und er dreht sich zu mir um. »Bis vor zwei Jahren habe ich das alles für ein Märchen gehalten. Die Wildnis, die Invaliden.« Er kommt zwei Schritte auf mich zu und plötzlich sind wir uns ganz nah. »Du. Ich … ich hätte es nie geglaubt.«
    Wir stehen immer noch mehrere Zentimeter entfernt, aber ich habe das Gefühl, wir würden uns berühren. Da ist eine Spannung, die die Entfernung zwischen unseren Körpern überwindet.
    »Ich bin echt«, sage ich und die Spannung juckt geradezu, ein nervöses Kribbeln unter meiner Haut. Ich fühle mich so ungeschützt. Es ist zu hell und zu still.
    Julian sagt: »Ich glaube nicht … ich weiß nicht, ob ich zurückkann.« Seine Augen sind voll wässriger Tiefe. Ich will den Blick abwenden, aber es gelingt mir nicht. Ich habe das Gefühl zu fallen.
    »Ich weiß nicht, was du meinst.« Ich zwinge die Worte hervor.
    »Ich meine, ich …«
    Rechts von uns ertönt ein lauter Knall, als hätte jemand etwas umgestoßen. Julian bricht ab und sein Körper spannt sich an. Instinktiv ziehe ich ihn hinter mich, auf die Tür zu, und krame die Pistole aus dem Rucksack. Ich suche die Gegend ab: überall Granatsplitter und Steine, Kuhlen und Senken, jede Menge Verstecke. Mir stehen die Nackenhaare zu Berge und mein ganzer Körper ist jetzt in Alarmbereitschaft. Sie beobachten uns.
    Wir stehen in quälendem Schweigen da. Der Wind treibt eine Plastiktüte über den aufgebrochenen Boden. Sie dreht sich dreimal langsam um sich selbst und bleibt dann am Fuß einer schon lange defekten Straßenlaterne hängen.
    Plötzlich nehme ich rechts von mir eine Bewegung wahr. Mit einem Schrei drehe ich mich um und umklammere die Pistole, als eine Katze hinter einem Haufen Schlackensteine hervorgeschossen kommt. Julian atmet auf und ich lockere den Griff um die Pistole und die Anspannung meines Körpers löst sich. Die Katze – dürr und mit großen Augen – hält kurz inne und wendet uns den Kopf zu. Sie miaut herzzerreißend.
    Julian fasst mich sanft mit beiden Händen an den Schultern und ich zucke instinktiv zurück.
    »Komm«, sage ich. Ich merke, dass ich ihn verletzt habe.
    »Ich wollte gerade etwas sagen«, entgegnet Julian. Ich spüre, wie er meinen Blick sucht, mich dazu bringen will, ihn anzusehen, aber ich bin schon an der Tür und fummele an dem rostigen Griff herum.
    »Du kannst es mir später sagen«, erwidere ich, als ich mich gegen die Tür lehne. Sie gibt schließlich nach und geht nach innen auf, wo es nach Staub und Moder riecht. Julian bleibt nichts anderes übrig, als mir ins Haus zu folgen.
    Ich habe Angst davor, was Julian zu sagen hat, wofür er sich entscheiden und wo er hingehen wird. Aber noch größere Angst habe ich davor, was ich mir wünsche: für ihn und – am allerschlimmsten – von ihm.
    Denn ich will etwas. Ich weiß noch gar nicht mal genau, was, aber das Wollen ist da, genau wie der Hass und die Wut vorher. Aber das hier ist kein Turm. Es ist eine endlose, tiefe Grube; sie führt in mich hinein und durchlöchert mich.

damals
    T
ack und Hunter konnten nicht viele Vorräte aus dem Stützpunkt in Rochester bergen. Die Bomben und das darauf folgende Feuer haben ganze Arbeit geleistet. Aber ein paar Sachen

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