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Pandoras Tochter

Pandoras Tochter

Titel: Pandoras Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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überlegen, wie du sicherstellen kannst, dass ich eine Chance mit diesem Molino bekomme.«
    »Um ihn zu töten?«
    Töten. Das Wort klang hässlich und war ihr fremd. Sie hatte sich jahrelang ausbilden lassen, um Leben zu retten, und jetzt beabsichtigte sie, eins auszulöschen.
    »Siehst du? Für jemanden wie dich ist das kein leichter Entschluss.«
    »Er hat meine Mutter umgebracht. Phillip erwacht vielleicht nie wieder aus dem Koma. So schwer ist der Entschluss gar nicht. Du kannst mir doch helfen, oder?«
    »Ja, aber man muss immer einen Preis zahlen. Wenn du mir hilfst, helfe ich dir. Ich verspreche dir, dass wir Molino kriegen.«
    Ein Preis. Er hatte schon vorher davon gesprochen, dass er ihre Hilfe wollte. »Was soll ich tun?«
    »Ich bin auf der Suche nach etwas ganz Bestimmtem und denke, dass du mich wirksam unterstützen kannst.«
    »Ich bin nicht wie meine Mutter. Ich kann Menschen oder Sachen nicht aufspüren.«
    »Genau genommen ist die Gabe des Findens relativ weit verbreitet. Meistens geht sie mit bedeutenderen Fähigkeiten einher. Man weiß nie, welche Talente sich noch zeigen.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber ich baue darauf, dass du dieses spezielle geerbt hast. Ich brauche nur eine Lauscherin – das ist nützlich genug.«
    Sie schauderte, als sie sich daran erinnerte, wie schrecklich die Episode in der Höhle gewesen war. Und jetzt erwartete er, dass sie sich diesem Trauma noch einmal aussetzte?
    »Und es wird vermutlich schlimmer als das, was du bisher erlebt hast.« Er beobachtete sie aufmerksam. »Ist es dir das wert?«
    Lieber Gott, selbstverständlich war es das wert. Sie konnte alles ertragen, wenn sie Molino damit vernichten konnte. Seine groteske Präsenz überschattete ihr ganzes Leben. »Ich will nicht deine Marionette sein und werde nichts tun, was ich als unmoralisch ansehe.«
    »Dann muss ich zusehen, dass ich diesen Teil des Projektes von dir fernhalte oder dich dazu verführe, zur dunklen Seite überzuwechseln.« Energisch setzte er hinzu: »Wir müssen sofort weg von hier. Molino hat dich observieren lassen, und ich möchte dich außer Reichweite bringen, dann können wir uns freier bewegen. Mich überrascht, dass er nichts mehr unternommen hat, seit Phillip angeschossen wurde. Wir werden ihm keine weitere Gelegenheit geben, dich anzugreifen.«
    »Und wohin willst du mich bringen?«
    »Nach Frankreich. Sprichst du französisch?«
    »Highschool-Französisch. Ich habe viel vergessen. Muss ich das?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Und ich habe keinen Reisepass.«
    »Kein Problem. Ich habe einen für dich.«
    Ihr fiel wieder ein, was Phillip gesagt hatte – Grady hatte ihm Papiere besorgt, die bewiesen, dass er ihr Onkel war. »Wie praktisch. Du musst dir deiner Sache ziemlich sicher gewesen sein.«
    »Nein, aber ich bin gern allseits bereit. Wie die Pfadfinder.«
    Wie er so dasaß, dunkel, entspannt und träge, erinnerte er sie daran, dass ihre Mutter ihn einmal mit einem Renaissance-Prinzen mit für damalige Verhältnisse mörderischer Ausstrahlung verglichen hatte. »Du bist definitiv kein Pfadfinder.« Sie schob ihren Stuhl zurück. »Ich packe ein paar Sachen zusammen und rufe in der Klinik an, um mich für längere Zeit abzumelden. In einer Stunde bin ich bereit zum Aufbruch.«
    Er nickte. »Ich muss auch noch einiges erledigen.«
    Sie ging zur Tür. »Dann bist du also doch nicht ganz so bereit.« Sie drehte sich noch einmal zu ihm um. »Hast du mir die Wahrheit gesagt, Grady?«
    »Absolut.«
    Sie musterte ihn forschend. »Aber du hast mir noch nicht alles gesagt, stimmt’s?«
    Er schwieg einen Moment. »Ich hätte wissen müssen, dass du das merkst. Nein, nicht alles.«
    »Warum nicht?«
    »Mir würde es keinen Vorteil verschaffen. Und Unwissenheit bringt dich in keine größere Gefahr, als ohnehin schon besteht.«
    Er würde ihr nicht mehr preisgeben. »Ich werde alles erfahren, Grady.«
    »Daran zweifle ich nicht. Aber nicht jetzt und nicht von mir.«
    »Ich könnte das zur Bedingung machen.«
    »Nur zu, zwing mich dazu«, forderte er sie ruhig, aber bestimmt auf. »Nicht jetzt, Megan.«
    Sie zögerte. Im Augenblick hatte sie keine Lust, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Sie glaubte ihm, dass er ihr keine Lügen aufgetischt hatte. Der Rest konnte warten, bis sie sich und die Situation besser im Griff hatte. »Ich werde alles herausfinden, Grady. Mach dich besser darauf gefasst, Pfadfinder.« Sie ging durch den Flur und knallte ihre Zimmertür hinter sich zu.

K APITEL

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