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Pandoras Tochter

Pandoras Tochter

Titel: Pandoras Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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    V
    ermutlich wird sie alles schneller herausfinden, als mir lieb sein kann, dachte Grady belustigt, als er Megan nachsah. Er hatte nur Glück, dass sie so viel um die Ohren hatte, dass sie sich nicht auf Molino konzentrieren konnte. Es würde ein interessanter Tanz werden, sie so sehr in Bewegung zu halten, dass sie nicht zum Nachdenken kam. Er war nicht sicher, wie viel sie an dem Tag, an dem ihre Mutter ums Leben gekommen war, in der Höhle gespürt und wie viel sie durch den Nebel des Schmerzes verstanden hatte. Es war unglaublich, dass sie diesen Schmerz noch einmal auf sich genommen hatte. Nein, nicht unglaublich. Er hatte sich auf diese Stärke und Entschlossenheit verlassen, als er entschieden hatte, sich ihrer zu bedienen. Niemand kannte Megan so, wie er sie kannte. Schon damals, als er sie in Sarahs Cottage zum ersten Mal sah, hatte er eine Verbindung zu ihr erahnt, die im Laufe des Jahres immer fester wurde. Er hatte sich bemüht, die Beziehung zu ihr brüderlich zu halten, aber in Wahrheit waren seine Gefühle nie die eines Bruders gewesen. Sie war damals ziemlich reif für ihr Alter gewesen und so verdammt lebhaft und strahlend, dass es ihm höllisch schwergefallen war, nicht die Hand nach ihr auszustrecken und sie zu berühren. Er erinnerte sich speziell an einen Morgen, an dem er beobachtet hatte, wie sie ihr Gesicht der Sonne zudrehte und eine Brise ihren leicht gebogenen Hals liebkoste. Gott, ihr Hals und die Schultern waren wunderschön. Er war noch jung, aber nicht unerfahren gewesen und so heiß auf sie, dass er um ein Haar schwach geworden wäre. An jenem Morgen musste er sich umdrehen und weggehen.
    Wie oft war er in diesem Sommer vor Megan weggelaufen? Es war eine sinnliche, zärtliche, bittersüße Erfahrung gewesen, diese Monate mit Megan zu erleben. Und danach hatte er das merkwürdige Gefühl gehabt, dass sie ein Teil von ihm geworden war.
    Ja, klar. Falls sie ein Teil von ihm war, dann musste er ein Masochist sein, wenn er ihr das zumutete, was sie in Paris erwartete. Er war praktisch nur ihr Reisebegleiter. Sie hingegen würde leiden.
    Dann akzeptier es, und zieh es durch. Er nahm sein Handy aus der Tasche und tippte die Nummer der CIA mit der Durchwahl von Venable ein.
    »Ich könnte Hilfe brauchen«, sagte er, sobald sich Venable gemeldet hatte. »Molino hat es auf Megan Blair abgesehen, und ich weiß nicht, was auf uns zukommt. Ich möchte sicherstellen, dass ihr bereit seid.«
    »In Atlanta?«
    »Nein. Wahrscheinlich in Paris. Wir machen uns auf die Suche nach der Chronik.«
    »Scheiße. Kannst du sie da nicht raushalten?«
    »Nein, ich brauche diese Chronik. Schuldgefühle, Venable?«
    »Herrgott noch mal, ja. Ich habe mich immer gefragt, ob ich diesen Alptraum mit Sarah im Dschungel hätte verhindern können. Vielleicht hätte ich etwas anders machen können. Ich war so verdammt jung und eifrig und bin ganz nach Vorschrift vorgegangen.«
    »Wir waren beide jung, und ich habe mir in all den Jahren auch Vorwürfe gemacht.«
    »Nicht genug, sonst würdest du ihre Tochter nicht mit einbeziehen.«
    »Du bist so lange hinter Molino her wie ich. Wir haben die Chance, ihn zu schnappen und die Chronik zu finden. Dazu brauche ich Megan.« Er schwieg eine Weile, dann fügte er hinzu: »Ich habe dich nicht angerufen, um mit dir zu diskutieren, Venable. Wirst du mich unterstützen, wenn ich Hilfe brauche?«
    »Natürlich, verdammt noch mal.« Er legte auf.
    Es war seltsam, dass Grady die harte Schiene mit Megan Blair fuhr und nicht Venable, der schon seit Jahren für die CIA arbeitete. Nein – eigentlich war es nicht überraschend. Die Ereignisse mit Sarah waren ihnen allen an die Nieren gegangen. Venable war ein guter Agent, und vermutlich hätte er in dieser Nacht im Dschungel gar nichts anderes tun können. Grady hatte geglaubt, sein Bestes gegeben zu haben, und trotzdem war es nicht gut genug gewesen.
    Aber dieses Mal musste so etwas nicht wieder passieren. Keine Fehler mehr.
    Er wählte hastig eine andere Nummer.
     
    Megan blieb erstaunt in der Küchentür stehen. »Was, um alles in der Welt, machen Sie hier, Harley?«
    »Ich warte auf Sie.« Jed Harley grinste, als er aufstand. »Und muss durchschnaufen. Grady hat mir nicht viel Zeit gelassen hierherzukommen.« Sein Blick fiel auf den kleinen Koffer, den sie in der Hand hatte. »Sie reisen mit leichtem Gepäck.«
    »Mein Computer ist in diesem Koffer, die Arzttasche steht im Flur. Ich beabsichtige nicht, diese Reise lange auszudehnen.

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