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Pandoras Tochter

Pandoras Tochter

Titel: Pandoras Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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Und seit dem Aufwachen hatte Megan tiefgründiger, stärker gewirkt – gefestigter.
    Und Grady hatte puren Stahl unter dieser Stärke wahrgenommen. »Wir werden sehen. Ich glaube, sie beschäftigt sich gerade mit alldem. Hast du Molinos Mann auf dem Zirkusgelände ausfindig gemacht?«
    »Molinos Frau«, korrigierte Harley. »Marie Ledoute, eine Trapezkünstlerin. Sie ist eine eingefleischte Zockerin und schmeißt in der letzten Zeit mit Geld nur so um sich. Mit ihrer normalen Gage wäre das gar nicht möglich. Sie war sehr neugierig heute Morgen und hat Fragen gestellt; sie wollte unbedingt wissen, wo sich Pierre in der Nacht herumgetrieben hat.«
    »Hat er es ihr gesagt?«
    »Nein, aber das wird er bestimmt tun und zudem alles andere ausplaudern, was sie wissen will. Im Moment ist sie mit ihm im Bett.«
    »Behalt sie im Auge. Wahrscheinlich wird sie sich nicht mit Molino in Verbindung setzen, solange sie noch mit Pierre Jacminot zusammen ist. Das verschafft uns einen kleinen Vorsprung.«
    »Stimmt.« Harley legte auf.
    Unser Vorsprung ist nicht groß, dachte Grady. Sobald Molino erfährt, wo wir uns aufhalten, wird er uns jemanden auf den Hals hetzen. Ich sollte Megan von hier fortbringen.
    Nein, noch nicht. Er hatte die eigenartige Vorstellung, dass es so wäre, als würde man einen Schmetterling aufschrecken, der gerade seinen Kokon verlässt. Sie hatte in der letzten Nacht keinen Schaden davongetragen, und er würde jetzt kein Risiko eingehen. Sie brauchte Zeit, und die würde er ihr geben.

K APITEL 9
    M
    egan öffnete um Viertel nach sechs am Abend auf Gradys Klopfen hin die Verbindungstür. Er verbeugte sich spöttisch. »Das Dinner ist serviert. Ich hoffe, es ist nicht zu früh für dich. Ich möchte um acht am Flughafen sein.«
    »Wieso? Gibt’s Probleme?«
    »Nein, aber man weiß nie. Es ist besser, wenn wir von hier verschwinden.« Er drehte sich um und ging auf einen mit weißem Damast gedeckten Tisch zu und rückte den Stuhl für Megan zurecht. »Du hast wieder etwas mehr Farbe. Konntest du dich ausruhen?«
    »Ja, ein wenig.« Sie setzte sich und legte sich die Serviette auf den Schoß. »Aber geschlafen hab ich nicht.«
    »Das dachte ich mir.« Er nahm ihr gegenüber Platz. »Ich habe Hühnchen bestellt und eine Pilzsuppe auf der Karte gefunden. Du liebst doch Pilzsuppe, oder? Ich erinnere mich, dass Sarah sie ganz oft für dich gekocht hat.«
    »Ja, ich mag Pilzsuppe.« Sie hob die Augenbrauen. »Das ist so ein winziges Detail – ich hätte nicht gedacht, dass du dich daran erinnerst.«
    »Kleine Vorlieben und Abneigungen offenbaren den Charakter.« Er nahm seine Gabel in die Hand. »Du liebst es, durch die Brandung zu laufen, du magst kleine Hunde und ehrliche, fürsorgliche Menschen, und du beobachtest gern Sonnenaufgänge. Du hasst matschiges Essen, schwafelnde Politiker, Grausamkeit in jeder Form und das Gefühl, hilflos zu sein.«
    »Ein paar dieser Dinge sind gar nicht so klein.«
    »Nein. Und sie geben Hinweise auf Megan Blair. Probier den Salat. Er ist ausgezeichnet.«
    Sie fing an zu essen. »Du hast dir das alles seit dem Sommer mit Mama und mir gemerkt?«
    »Ich versuche immer, die guten Dinge im Gedächtnis zu behalten. Das hilft einem über schlechte Zeiten hinweg. Jener Sommer war sehr schön für mich.« Er lächelte. »Und du hast einen großen Anteil daran. Sarah erzählte mir immer wieder, wie ernst du bist, aber ich konnte das nicht finden. Du warst eifrig, lustig und voller Leben. Gott, ich habe nie wieder jemanden mit so viel Energie und Lebensfreude kennengelernt.«
    »Und du hast dich geschmeichelt gefühlt, dass ich für dich geschwärmt habe«, entgegnete sie gelassen. »Du wusstest das, hab ich recht? Ich war ziemlich durchschaubar. Sogar Mama hat es gemerkt.«
    »O ja. Ich wusste es. Ich fühlte mich … geehrt.« Er schnitt ein Gesicht. »Wenn ich nicht gerade versuchte, mich gegen die dunkle Seite zu wehren. Ich musste mir immer wieder sagen, dass du keine Lolita bist und dass ich es fürchterlich bereuen würde, wenn ich dich verführe.« Er zuckte mit den Schultern. »Manchmal habe ich das sogar geglaubt. Wäre ich noch ein paar Monate länger mit dir zusammen gewesen, wäre ich in echte Schwierigkeiten geraten. Ich war damals selbst erst fünfundzwanzig, entsetzlich eigensinnig und daran gewöhnt, meinen Willen durchzusetzen.«
    Die inzwischen vertraute Hitze durchdrang sie, als sie ihn ansah. Heute erschien ihr alles klarer und einfacher, jede Emotion war schärfer

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