Pandoras Tochter
die sexuelle Anziehungskraft von heute verschmelzen und sich gegenseitig verstärken. Sie schreckte vor dem Gefühlsstrudel zurück. »Ich frage mich, ob es möglich ist, etwas davon zu kontrollieren. Seit ich herausgefunden habe, dass dieses übersinnliche Zeug mein Leben lang um mich herum war, fühle ich diesen Groll. Mir passt es nicht, dass ich das nicht selbst steuern kann.«
»Willkommen im Club. Seit ich zehn bin, versuche ich, Antworten zu finden.«
»Und du wusstest schon damals, dass du eine parapsychologische Begabung hast?«
»Ja, aber es hat mich nicht gestört. Im Gegenteil – ich fand’s lustig, dass ich Situationen kontrollieren kann. Kinder sind grausam, und die meisten wollen der Anführer der Bande sein. Erst später wurde mir bewusst, dass man mich nicht als Anführer ansah, sondern als eine Art Frankenstein-Monster.«
»Wann?«
Er zuckte mit den Schultern. »Als mich mein Vater aus dem Haus warf. Ich war sechzehn, und er sagte, ich könne selbst für mich sorgen. Er wollte sich nicht länger damit abfinden, einen Spinner im Haus zu haben.«
»Und deine Mutter?«
»Sie ist ein paar Jahre zuvor auf und davon.« Er verzog das Gesicht. »Vielleicht dachte er, sie hätte ihn nicht verlassen, wenn sie sich nicht mit einem Problemkind hätte herumschlagen müssen. Ich habe ihnen beiden schwer zu schaffen gemacht. Erst brachten sie mich zu Sozialarbeitern und einigen Psychiatern, die vom Staat bezahlt wurden. Später gaben sie alle Bemühungen auf und erzählten allen, dass ich ein bisschen sonderbar sei und man mich am besten in Ruhe und allein lassen solle.«
»Allein? Das ist schrecklich für ein Kind.«
»Hast du Mitleid mit dem armen Jungen? Das ist verschwendete Liebesmüh. Meine Eltern sollten dir leidtun. Sie wollten sowieso nie ein Kind haben, und dann haben sie mich bekommen.«
»Mit denen kann ich nicht mitfühlen. Sie hätten sich mehr um dich bemühen müssen. Und«, fügte sie vehement hinzu, »dein Vater hätte dich nie aus dem Haus jagen dürfen.«
»Wie ich sehe, kann ich dich nicht davon überzeugen, dass du dich auf die falsche Seite schlägst.« Seine Lippen kräuselten sich zu einem feinen Lächeln. »Mir soll’s recht sein. Mir gefällt es ganz gut.«
Ihr gefiel es hingegen gar nicht. Jetzt kam auch noch der Beschützerinstinkt zu all den Gefühlen hinzu, die sie für Grady empfand. Allein die Tatsache, dass er nicht versucht hatte, sich zu verteidigen oder zu rechtfertigen, nahm sie noch mehr für ihn ein. »Bist du damals zum Militär gegangen?«
Er nickte. »Ich dachte, dass ich mich so am besten über Wasser halten und einem Knastaufenthalt aus dem Weg gehen kann. Natürlich habe ich es geschafft, ein paar Mal ins Militärgefängnis zu kommen, bevor ich ein bisschen erwachsener wurde. Dann fand ich meine Nische und ging meinen Weg.«
»Ich war überrascht, als mir Phillip erzählte, dass Geheimdienste und die Army übersinnlich Begabte einsetzen. Das ist ja fast wie in den Science-Fiction-Filmen. Und ich habe das Militär immer für eine nüchterne, klare Institution gehalten, die nichts für Hokuspokus übrig hat.«
»Sie setzen alle Waffen ein – technische oder psychologische – und glauben an fast alles, was ihnen Vorteile den Gegnern gegenüber verschafft.« Er lehnte sich zurück und sah aus dem Fenster, als das Flugzeug anrollte. »Und Michael Travis’ Recherchen haben ergeben, dass fast jeder an übersinnliche oder paranormale Phänomene glaubt. Genau genommen denkt ein großer Prozentsatz der Bevölkerung, selbst schon mit Übersinnlichem in Berührung gekommen zu sein.«
Megan wiegte skeptisch den Kopf. »Ein großer Prozentsatz?«
»Geh mal zu einer Dinnerparty, und lenk die Unterhaltung in diese Richtung. Du wirst staunen, wie viele tolle Geschichten du da zu hören bekommst.«
»Geschichten – ist das hier das Schlüsselwort?«
»Es gibt eine interessante Theorie über parapsychologische Fähigkeiten. Angeblich haben wir alle mehr oder minder stark ausgeprägte Talente, aber bei neunzig Prozent der Bevölkerung bleiben sie verborgen. Michael Travis hat MRTs von den Gehirnen freiwilliger Testpersonen mit parapsychologischen Gaben erstellen und chemische Untersuchungen durchführen lassen. Offenbar ist bei diesen Personen die Flüssigkeitskonzentration im Hirnzentrum höher. Denkbar wäre, dass diese Flüssigkeit einen DNA-Faktor enthält, der Hirnfunktionen auf anderer Ebene ermöglicht. Falls diese spezifische chemische Zusammensetzung
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