Pandoras Tochter
beschreiben. Sie hat ein Gesicht, das man nicht so schnell vergisst. Wartet in der Bar auf mich.«
»Angrenzende Zimmer mit Verbindungstür«, wies Grady ihn an.
»Gut.« Damit verschwand Harley in der Hotellobby.
»Du bist zusammengezuckt«, stellte Grady fest. »Es spielt keine Rolle, ob unsere Zimmer durch eine Tür verbunden sind oder nicht. Es ist unsere Entscheidung.«
»Deshalb habe ich nichts gesagt.« Doch allein der Gedanke an diese Nähe hatte Wirkung auf sie. Verdammt, alles an ihm wirkte sich auf ihr körperliches Befinden aus. Sie stieß die Autotür auf und stieg aus. »Dies ist kein B-Movie aus den Fünfzigern. Ich mache mir Sorgen um mein Leben, nicht um meine Ehre.« Sie lächelte freudlos. »Weißt du, ich habe diese Redensart immer schon lächerlich gefunden. Historisch gesehen haben die Männer ihre Ehre bewahrt, wenn sie ihre Frauen rein und unversehrt hielten. In Wahrheit waren ihre Frauen nichts anderes als lebendes Inventar und Eigentum, das keine Ehre besaß.«
»In deinem Fall hätten sie sich geirrt. Du besitzt Ehre«, sagte Grady beim Aussteigen. »Aber sie befindet sich nicht zwischen deinen Beinen.«
Ihre Augen wurden groß. »Mein Gott, wie unverblümt.« Sie kicherte leise. »Ich glaube nicht, dass ich mich je zuvor wegen eines so plumpen Komplimentes geschmeichelt gefühlt habe. Es war doch ein Kompliment, oder?«
Er umfasste ihren Ellbogen und dirigierte sie zum Eingang. »Ja, zur Hölle.«
»Was meinst du, wie lange wird Harley wohl brauchen, um Renata Wilger zu finden?«
»Harley ist gut, und er hat ausgezeichnete Kontakte.«
»Weichst du mir aus?«
»Ja. Wenn er Glück hat, einen Tag. Drei, wenn er es ganz richtig macht.«
»Was soll das heißen?«
»Na ja, er muss sie finden, eine Verbindung zu Gillem nachweisen und sie überzeugen, dass wir nicht vorhaben, sie zu töten. Das könnte seine Zeit dauern. Das willst du nicht hören, ich weiß.«
»Verdammt richtig.« Sie wollte nicht in einem Hotelzimmer herumsitzen und Däumchen drehen. Insbesondere nicht, wenn Grady in Rufdistanz war. »Was, wenn Molino Renata Wilger vor uns findet?« Eine dämliche Frage. Er hatte ihr gerade erzählt, dass Edmunds Exfrau ermordet worden war; und sie hatte keine Ahnung von der Chronik gehabt.
»Es besteht die Chance, dass wir ihm ein paar Schritte voraus sind. Vorausgesetzt, Edmund hat Molino keine Hinweise gegeben, auf denen er aufbauen kann.«
»Hat er nicht.« Megan runzelte die Stirn. »Aber du hast gesagt, dass er Familienmitglieder aufspürt. Ist Renata Wilger keine Verwandte? Edmund hätte die Chronik nie an jemanden übergeben, der nicht zur Familie gehört.«
Grady nickte. »Du hast recht. Es wäre klüger gewesen, aber Edmund hätte niemanden in Gefahr gebracht, der nichts damit zu tun hatte.«
»Dann könnte Molino gerade jetzt auf der Suche nach Renata Wilger sein.«
»Ist dir bewusst, wie groß und weit verzweigt die Devanez-Nachkommen sind? Und die direkten Nachfahren wollen nicht gefunden werden. Ich habe zwölf Jahre gebraucht, um Edmund Gillem ausfindig zu machen.«
»Und Molino war schneller als du. Er könnte uns auch jetzt voraus sein.« Sie machte eine Geste, als er etwas einwerfen wollte. »Entschuldige. Ich weiß, dass solche Bedenken nicht produktiv sind.« Sie ging in die Bar. »Ich muss mich irgendwie beschäftigen, bis Harley sie gefunden hat.«
»Und wie?«
»Ich möchte eine Kopie der alten Aufzeichnungen über das Inquisitionstribunal der Devanez lesen, die Michael Travis aufgetrieben hat. Kannst du ihn bitten, mir eine Kopie zu faxen?«
Er ließ sich Zeit mit der Antwort. »Ja.« Diese Zusage kam widerwillig. Sein Gesicht war ausdruckslos, doch das Zögern sprach Bände.
»Ist das ein Problem?«, fragte Megan und sah ihm in die Augen. »Hast du mich belogen?«
»Nein.« Er ging auf einen Tisch zu. »Ich habe nicht gelogen. Aber trotzdem könnte es schwierig für dich werden. Du wirst das selbst entscheiden müssen, wenn du anfängst zu lesen. Ich muss dich vorwarnen – die Schilderung der Foltermethoden, die Ricardo Devanez erdulden musste, ist drastisch.«
»Nach allem, was ich mit Edmund durchgestanden habe, wird mich die Beschreibung von Foltern nicht umhauen. Mir wird es nicht gefallen, aber das kann mich nicht davon abhalten, alles durchzulesen und mir ein Bild zu machen. Wann kann ich das Fax erwarten?«
»Ich rufe Michael noch heute Abend an. Er wird die Kopie sofort losschicken.« Er rückte einen Stuhl für sie zurecht und gab
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