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Pandoras Tochter

Pandoras Tochter

Titel: Pandoras Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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an.«
    »Selbstverständlich geht mich das etwas an. Wenn ich meine eigenen Geschäfte hintanstellen, herbeieilen und vermitteln muss. Soll ich in der Nähe bleiben, um ihr nachher die letzten Seiten, von denen du gesprochen hast, auch noch auszuhändigen?«
    »Nein, sie wird mit mir über den Bericht reden wollen.«
    »Da bin ich aber froh.« Harley nahm den Telefonhörer ab. »Was soll ich fürs Dinner bestellen?«
    »Irgendwas.« Grady nahm sein Whiskyglas mit ans Fenster und schaute auf die Straße hinunter. Er hatte keinen Augenblick gezweifelt, dass sie die Kopien an sich nehmen würde; er scheute sich lediglich davor, noch mehr Zündstoff in ihre Beziehung zu bringen. Er hatte sich ausgesprochen tölpelhaft angestellt. Warum hatte er sich nicht zurückgehalten oder war gleich aufs Ganze gegangen?
    Weil er zu lange darauf gewartet hatte, sie berühren zu können. Weil sie alles, was er je gesagt oder getan hatte, in Frage stellen würde, sobald sie das Protokoll gelesen hatte. »Sorge nur dafür, dass genügend Kaffee da ist. Es wird eine lange Nacht.«

K APITEL 11
    E
    in neuer Foltertag für Ricardo Devanez. Megan hätte liebend gern die brutalen Einzelheiten übersprungen, aber die Fragen und Antworten waren mit den Beschreibungen der Foltermethoden, die der arme Mann hatte erdulden müssen, verwoben.
    Sie atmete ein paarmal tief durch und schloss die Augen. Sie musste sich ein paar Minuten Erholung gönnen. Der erste Teil der Aufzeichnungen war nicht so schlimm – er befasste sich mit den anfänglichen Ermittlungen und enthielt Abschriften der peinlich genauen Berichte von Priestern, die den Auftrag hatten, José Devanez und all seine nahen und entfernten Verwandten auszuspionieren. Sowohl die Aufstellungen über den immensen Reichtum, den die Familie angehäuft hatte, als auch die Geschichten, die sich die Landbevölkerung über ihre eigentümlichen Kräfte erzählten, waren als Vorbereitung für den Prozess sorgfältig dokumentiert worden.
    Eigentümliche Kräfte – allerdings, dachte Megan. Viele dieser Geschichten mussten reine Erfindung sein. Da war die Rede von einem Mann, der sich bei Vollmond in eine Bestie verwandelte, von Heilern, Gedankenlesern und von einer Frau, die eine Greisin durch bloße Berührung in den Wahnsinn getrieben hatte, von einem Kind, das Wasser auf dürrem Land finden konnte. Wenn derlei Geschichten in den Dörfern die Runde gemacht hatten, dann war es kein Wunder, dass die Familie die Aufmerksamkeit der Inquisitoren auf sich gezogen hatte. Die Devanez waren wohltätige, friedliche Menschen, die gern unter sich blieben, dennoch erregte ihre Freundlichkeit Verdacht. Sie wurden der Täuschung und der heimlichen Teufelsverehrung beschuldigt.
    Erst nach der Schilderung von Ricardo Devanez’ Verhaftung durch die Priester wurde der Inhalt des Protokolls unerträglich. Ricardo hatte drei furchtbare Tage durchgehalten, bevor er zusammenbrach und von dem Exodus seiner Familie erzählte. Megan hatte aufgehört zu lesen, als sie zu der Stelle kam, an der die Folterknechte Ricardo dazu brachten, über einzelne Familienmitglieder und deren teuflische Mächte zu sprechen. José konnte in die Zukunft sehen und voraussagen, ob ein Geschäft erfolgreich sein würde, seine Tochter Isabelle brachte Blumen selbst dort, wo es keine Sonne und kein Wasser gab, zum Blühen, sein Bruder Diego konnte durch reine Willenskraft Feuer entfachen.
    Hatte Ricardo das alles wirklich erlebt, oder erzählte er seinen Peinigern nur das, was sie hören wollten? Unwichtig. Megan musste das Protokoll bis zum Ende lesen. Allerdings würde sie versuchen, den Rest nur zu überfliegen und zu sehen, ob da irgendetwas stand, was für sie relevant war. Bis dahin hatte Ricardo nichts von Lauschern erwähnt.
    Sie schlug die Augen auf und las weiter. Überspring das Entsetzliche – lass es nicht an dich herankommen.
    Ricardo schien zu diesem Zeitpunkt wild drauflos zu plappern und sein Herz auszuschütten. Die Liste der übersinnlichen Talente war erstaunlich, und Ricardo nannte Namen und Beispiele. Wenn die Genannten von Torquemadas Schergen festgenommen worden wären, hätte der Scheiterhaufen auf sie gewartet.
    Fast am Ende, auf der letzten Seite, sprach Ricardo über seine Schwester Rosa, eine Lauscherin.
    Megan setzte sich aufrecht hin und las den Absatz:
     
    Sie ist zweifellos der abscheulichste und verruchteste aller Dämonen, schrieb der Priester. Die Frau hört nicht nur Stimmen aus der Hölle, sondern ist eine

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