Pandoras Tochter
sich die Augen aus, weil sie beide Ihr Überleben sichern wollen.«
»Grady vielleicht. Aber Renata?«
Harley nickte. »Sie mag sich gezwungen fühlen, Sie als Köder zu benutzen, aber ich glaube, dass sie ihren eigenen Hals riskieren würde, um zu verhindern, dass Molino Sie in die Finger bekommt. Sie ist nicht so hart gesotten, wie sie Sie glauben machen möchte.«
»Ich halte sie nicht für hart gesotten.« Megan hatte immer Renatas Verletzlichkeit gesehen. »Manchmal tut sie mir richtig leid.« Sie setzte sich auf den Beifahrersitz. »Und manchmal möchte ich sie regelrecht schütteln.«
»Wie eine widerspenstige kleine Schwester?«, fragte Harley sanft.
»Wenn die Schwester Calamity Jane heißt.«
KAPITEL16
D
as kleine, mit weißen Schindeln verkleidete Haus am Stadtrand von Dalton, das Harley für sie vorgesehen hatte, war umgeben von Hügeln und durch ein Pinienwäldchen von der Straße abgeschirmt. Eine Veranda führte rund um das mindestens siebzig Jahre alte Haus, und die Stufen waren ziemlich ausgetreten.
»Nicht gerade eindrucksvoll«, stellte Harley fest. »Ein altes Farmhaus, aber die Familie hat das Land verkauft und ist von hier weggezogen. Offenbar war es eine große Familie. Es gibt vier Schlafzimmer, zwei Bäder und eine große Küche. Der Makler sagte, dass der Schlüssel in der Ampel mit dem Efeu liegt.«
»Es ist prima.« Grady streckte die Hand nach dem Hausschlüssel aus. »Was ist mit Lebensmitteln?«
»Ich fahre gleich zu einem Supermarkt.« Harley sah Renata an. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, mit mir zu kommen?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wenn Sie wollen.« Sie stieg wieder in den Wagen. »Ich muss auch ein paar Dinge besorgen.«
»Eine Raketenabschussrampe?«
»Wie haben Sie das erraten?«
Megan sah dem Wagen kopfschüttelnd nach. »Könnte sein, dass sie das nicht als Scherz gemeint hat.«
»Na ja, es wird wohl keine Abschussrampe sein.« Grady schloss die Tür auf. »Die bekommt man nicht so leicht in einer kleinen Stadt. Und Harley wird ein Auge auf ihre Einkäufe haben.«
Von der Haustür aus gelangte man sofort ins Wohnzimmer; die Möbel waren schäbig und nicht allzu sauber.
Megan rümpfte die Nase. »Ich hoffe, die Schlafzimmer sind besser.«
»Wir werden schon zurechtkommen.« Er ging in die Küche. »Wir bleiben ja nicht lange.«
Megan folgte ihm. »Das ist gut. Ich bin es nämlich leid, dir und Renata beim Streiten zuzuhören.« Im Schrank standen Gläser, Megan nahm sich eins und spülte es aus. »Und ich verstehe es nicht.«
»Vielleicht nehme ich es ihr übel, dass sie versucht hat, dich zu benutzen.« Und lächelnd fügte er hinzu: »Ich betrachte das als mein Privileg.« Er wehrte ihren Protest mit einer Geste ab. »War nur ein Witz.« Sein Lächeln schwand. »Teilweise. Ich weiß, dass du selbst entscheidest, wer dich benutzen darf und wer nicht. Aber seit der Nacht, die du in Edmunds Wohnwagen verbracht hast, ist mir eine Veränderung aufgefallen. Renata stand Edmund sehr nahe, und das berührt dich.«
Das konnte sie nicht abstreiten. »Das beeinträchtigt aber nicht mein Urteilsvermögen.« Sie drehte den Wasserhahn wieder auf und ließ das Wasser laufen, bis es klar war. »Quellwasser.« Sie trank einen Schluck. »Es ist gut. Erinnerst du dich an das Quellwasser, das wir in dem Sommer am Strand hatten? Es enthielt zu viel Eisen und hat deshalb meine Haare schlaff gemacht. Du hast mich deswegen immer geneckt.«
»Ja, ich erinnere mich«, antwortete er mit belegter Stimme.
Sie erschrak und sah ihn an. O Scheiße. Sie wandte rasch den Blick ab, doch es war zu spät. Sie hatte seinen sinnlichen Ausdruck, das Verlangen und die inzwischen vertraute Bereitschaft noch vor Augen. Und ihr eigener Körper spiegelte all das wider. Sie drehte sich weg, trank ihr Glas aus und stellte es auf die Arbeitsfläche. »Ich sehe mir besser mal die Schlafzimmer an. Die Laken müssen vielleicht erst gewaschen werden und …«
»Schsch.« Er stand hinter ihr und legte die Hände auf ihre Brüste. »Die Laken können warten.« Er rieb sich langsam an ihr. »Wir nicht.«
Mein Gott. Ihr ganzer Körper prickelte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Hitze. Überwältigendes Verlangen. Sie schmiegte sich an ihn. »Das sollten wir nicht tun.«
»O doch. Ich hab gesagt, dass ich dir Zeit lasse, aber du willst es auch, oder?«
O ja. Sie brauchte es wie Wasser in der Wüste, mehr als ein wärmendes Feuer im Winter. Seine Hände umfassten ihre Schultern. »Harley
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