Pandoras Tochter
loswerden.«
»Und das rechtfertigt alles?«
»Ja. Und wenn Sie Molinos Telefonnummer haben, können Sie ihn vielleicht dazu bringen, dass er persönlich die Verfolgung aufnimmt. Rufen Sie ihn an. Bringen Sie ihn auf die Palme. Entfachen Sie seinen Zorn.«
»Halten Sie den Mund, Renata«, warnte Grady.
»Sehen Sie? Er möchte Sie diesem Risiko nicht aussetzen.« Sie legte eine kurze Pause ein. »Da gibt es noch etwas, was Sie wissen sollten. Ich habe gestern Abend einen Anruf getätigt und die Blockierung meines Handys aufgehoben, damit es leicht zu orten ist.« Sie verzog das Gesicht. »Zu leicht. Ich hätte nicht gedacht, dass sie schon so früh bei mir auftauchen. Ich war nicht vorbereitet.«
Megan riss die Augen auf. »Sie haben Molinos Männer wissen lassen, wo Sie zu finden sind?«
Grady stieß einen Fluch aus.
»Grady hat versucht, mir ein Hindernis in den Weg zu stellen. Er wollte nicht, dass Sie noch mehr in Gefahr geraten. Ich hingegen dachte, es könnte Sie ein bisschen antreiben, wenn ich Sie mehr in Molinos Fokus bringe.« Sie begegnete Megans Blick. »Das ist gelungen, oder?«
»Und Sie wurden angeschossen.«
»Eine Fehlkalkulation, wie gesagt.«
»Und warum erzählen Sie mir das alles?«
»Ich mag keine Lügen. Mark sagt, sie sind manchmal nötig, aber Sie wollte ich nicht belügen. Feinde lügt man an, aber Sie sind nicht mein Feind. Ich musste Sie bloß in die richtige Richtung schubsen. Alles Weitere liegt bei Ihnen.« Renata hielt kurz inne, dann fragte sie: »Wollen Sie immer noch, dass ich mit Ihnen komme?«
Megan sah sie an – widerstreitende Gefühle tobten in ihr. Wut, Enttäuschung und Mitleid. Am liebsten hätte sie Renata gepackt und geschüttelt wegen ihrer fast kindlichen Engstirnigkeit, die sich mit Brillanz und dieser verdammten Begabung paarte. Aber war ihr diese Engstirnigkeit nicht in die Wiege gelegt und anerzogen worden? Sie versuchte nur, zu überleben und ihre Pflicht zu tun – auf die einzige Art, die sie kannte.
»Und?«, fragte Renata vorsichtig nach.
Oh, zum Teufel. »Natürlich kommen Sie mit.« Megan ging zur Tür. »Sie mögen ja denken, dass Sie nicht der Trumpf sind, der Molino aus der Reserve lockt, aber jedes bisschen hilft. Sie haben gesagt, Sie sind auch eine Finderin. Meine Mutter hat Molino einmal aufgespürt. Vielleicht können Sie das auch. Außerdem haben Sie die Chronik.«
»Und sie würde vermutlich jeden Handel eingehen, um sie zu behalten«, warf Grady ein.
»Möglich.« Sie betrachtete Renatas Gesicht. So viel Trotz, Wildheit und Verletzlichkeit. »Stimmt das?«
Renata schwieg einen Moment. »Ich weiß es nicht.« Und müde fügte sie hinzu: »Wahrscheinlich. Wir sollten besser dafür sorgen, dass ich nicht vor die Wahl gestellt werde.«
»Sie sind auf dem Weg nach Atlanta«, sagte Sienna. »Vor zwei Stunden sind sie an Bord einer Maschine gegangen. Sie laufen uns direkt in die Arme.«
Molino schüttelte den Kopf. »Sie sind zu eifrig. So einfach wird das nicht. Aber nichts, was Wert hat, ist leicht zu haben.« Er lächelte. »Du bist sicher froh, wenn das vorbei ist, stimmt’s?«
»Ja«, gestand Sienna unumwunden. »Es stört unsere Geschäfte. Ich stimme dir ja zu, dass die Chronik wertvoll ist. Wenn wir die Nummern dieser Schweizer Bankkonten bekämen, hätten wir für unser Leben ausgesorgt. Aber du kannst an nichts anderes denken als an Megan Blair. Ich habe mich gefragt«, fuhr er fort, »ob es dir nicht lieber wäre, wenn du die Geschäfte für eine Weile mir überlassen könntest, während du dich auf Megan Blair und alles, was mit ihr zusammenhängt, konzentrierst.«
»So ehrgeizig, Sienna?«, fragte Molino sanft. »Und nachdem ich das Miststück kaltgemacht habe, stelle ich fest, dass ich ein für alle Mal aus allem herausgedrängt wurde?«
»War ja nur ein Vorschlag«, gab Sienna gleichmütig zurück. »Es wird immer schwieriger, den Hurensohn Kofi Badu unter Kontrolle zu halten. Er hat andere Kaufinteressenten für die Kinder, und du gibst ihm das Geld nicht so schnell, wie er es gern hätte. Er will sich mit dir treffen und neu verhandeln.«
»Das heißt, er will mehr Geld.«
Sienna nickte. »Und du willst dich nicht damit abgeben. Also lass mich das machen.«
Molino schüttelte den Kopf. »Sag ihm, dass wir ihn nächste Woche treffen. Arrangier das.«
»Wenn du abspringst, geht er uns flöten.«
»Und du wirst mir vorwerfen: ›Das hab ich dir doch gesagt.‹« Sienna würde das nie von sich geben, dachte
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