Pandoras Tochter
Waschmaschine, dann gehe ich auch unter die Dusche«, sagte sie. »Dieses Haus muss seit Jahren unbewohnt sein. Ein trauriger Gedanke. Wie eine kleine alte Lady, die vernachlässigt und vergessen wurde.«
»Das ist wirklich traurig.« Und sie fand den Vergleich, den Renata gezogen hatte, merkwürdig. »Gefällt Ihnen dieses Haus?«
»Ja, besonders die Veranda. Sie erinnert mich an ein Haus in Boston, in dem ich mit meiner Mutter gelebt habe. Damals war ich erst fünf oder sechs, aber mir kam es vor, als würde uns die Veranda … umarmen.« Sie hob die Schultern. »Möglicherweise dachte ich das auch nur, weil meine Mutter mich selten in die Arme genommen hat. Ich wurde zu der Zeit zwischen meiner Mutter und meinem Vater in Deutschland hin- und hergeschickt, und dieses war ein gutes Jahr für mich.« Sie ging zur Treppe. »Ich habe mir das zweite Schlafzimmer auf der linken Seite ausgesucht, als ich sah, dass Ihre Koffer im ersten stehen. Nur Ihr Gepäck. Schläft Grady nicht auch dort?«
»Nein. Auch wenn Sie das nichts angeht.«
»Ich habe mich lediglich gefragt, ob ich um die ›Situation‹ herumschleichen muss.« Sie schnitt ein Gesicht. »Dann hätte ich vermutlich nicht taktvoll sein und mit Harley einkaufen gehen müssen, oder?«
»Taktvoll? Sie?«
»Ich kann taktvoll sein. Ich halte es für einen Fehler, dass Sie mit Grady schlafen. Er ist ein Kontrolleur, und ich weiß nicht, wie weit Sie ihm trauen können. Aber wenn es Ihnen Spaß macht, soll’s mir recht sein.«
»Vielen Dank«, entgegnete Megan.
»Ich habe das wahrscheinlich falsch ausgedrückt. Man sollte nicht meinen, dass ich in meiner Firma als besonders redegewandt und höflich gelte.«
»Nein, das wäre mir nie in den Sinn gekommen.«
»Aber im Büro komme ich mir vor wie eine Schauspielerin auf der Bühne. Da ist es einfacher.« Sie ging die ersten Stufen hinunter. »Ich stecke die Laken in die Waschmaschine, dann schiebe ich einen Hackbraten in den Ofen, ehe ich eine Dusche nehme. Harley sagt, dass er uns sein Lieblingsdessert zubereitet.«
»Baumkuchen.«
»Genau. Es hat Ewigkeiten gedauert, bis er alle Zutaten beisammenhatte.«
»Dann hatten Sie ja gar keine Zeit, Ihre Abschussrampe zu kaufen«, neckte Megan sie. »Grady sagte, Sie hätten ohnehin Probleme, so was in Dalton zu finden.«
»Hätte ich eine gewollt, dann hätte ich sie auch bekommen. Mark hätte eine Quelle aufgetan.«
»Ihr Cousin muss ein erstaunlicher Mann sein.«
»Erstaunlich? Das können Sie laut sagen.« Sie drehte sich auf der Treppe noch einmal um und rief: »Sie machen den Salat. Okay?«
»Okay.« Megan trocknete sich das Haar, während sie zu ihrem Schlafzimmer ging. Das Gespräch mit Renata hatte ihr gutgetan. Es hatte sie in eine Normalität zurückgebracht, die sich nicht um Grady und ihre Gefühle für ihn drehte. Es gab noch andere Menschen auf der Welt, andere Ansichten, andere Ziele, Erinnerungen an eine Kindheit, Veranden und Cousin Mark, der ein Geheimnis war, das noch gelüftet werden musste.
Mit etwas Glück konnte sie sich auf all das konzentrieren und Grady vergessen.
Es funktionierte nicht.
Während des Essens hätte sie sich Gradys Nähe nicht bewusster sein können. Sie registrierte jede seiner Bewegungen und jede Nuance seiner Stimme. Verdammt, sie hoffte nur, dass Harley und Renata nichts mitbekamen. Lachhaft, so zu fühlen.
Gleich nach Harleys Baumkuchen ergriff sie die Flucht. Sie murmelte eine Entschuldigung und zog sich auf die Veranda zurück, die Renata so in Entzücken versetzt hatte.
Der Mond beschien den Wald in der Ferne. Megan atmete ein paarmal tief durch. Das war schon besser.
»Megan.«
Sie straffte die Schultern, drehte sich jedoch nicht um. »Ich möchte jetzt nicht mit dir reden, Grady.«
»Das habe ich auch nicht gedacht.« Er stellte sich neben sie. »Und das ist okay.« Er holte sein Handy aus der Tasche. »Wie wär’s, wenn du stattdessen mit Molino sprichst?«
Sie starrte ihn an. »Jetzt?«
»Du hast gesagt, dass du ihn anrufen willst. Jetzt ist ein so guter Zeitpunkt dafür wie jeder andere.«
»Ich hätte nur nicht so früh damit gerechnet.« Sie streckte die Hand aus und nahm ihm das Telefon ab. »Nicht heute Abend.«
»Ich glaube kaum, dass dich Molino hinters Licht führen kann, so wachsam, wie du bist.« Er verzog die Lippen. »Glaub mir, mir ist es lieber, wenn ich der Grund für jeden Gefühlstumult bin, aber ich möchte das gern hinter mich bringen. Er wird versuchen, dich auf jede nur
Weitere Kostenlose Bücher