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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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einer nach dem anderen aus der Höhle, breiteten ihre ledernen Schwingen aus und erhoben sich in den kalten Himmel. Ihr Flügelschlagen klang wie das Brausen eines herannahenden Sturmes, aber wenn sie eine gewisse Höhe erreicht hatten, glitten sie reglos durch die Luft und ließen sich von den ersten Aufwinden immer höher tragen. Der Auszug aus der Höhle dauerte schier ewig und natürlich juckte es Sariel ausgerechnet nun an allen möglichen Stellen. Er bekam einen Krampf im Bein, spürte einen starken Niesreiz, musste ausgerechnet jetzt plötzlich dringend pinkeln und hätte sich am liebsten überall gekratzt.
    Aber er hielt durch. Erst als der letzte Todesengel sich in die Luft geschwungen hatte, löste er sich gemeinsam mit Liya stöhnend aus der Starre. Eine Weile rieben sie sich nur schweigend die verkrampften Muskeln. Dann trafen sich ihre Blicke und Liya musste plötzlich grinsen.
    »Super gemacht! Super Rastplatz, den du da ausgesucht hast!«, sagte Sariel, ebenfalls grinsend. »Du kennst dich ja wirklich in der Wildnis aus!«
    Sie schien es noch nicht einmal übel zu nehmen und kicherte nur erleichtert. Sariel erhob sich und ahmte den grotesken Schreitgang der Todesengel nach, flatterte mit seinen Armen wie ein Schauspieler in einem schlechten Vampirfilm. Liya prustete los. Kriegte sich gar nicht mehr ein. Tränen rannen ihr über die Wangen, sie hielt sich das Zwerchfell und wimmerte, dass Sariel bitte aufhören möge. Er hatte sie zum Lachen gebracht. Ein gutes Gefühl, das ihn stolz machte und gleichzeitig erregte, mehr als alles andere. Sogar mehr als Eyla, als sie nackt vor ihm gestanden hatte.
    Allmählich beruhigte sich Liya und blickte ihn nun mit mehr Wärme als zuvor an. Sariel wurde verlegen.
    »Vielleicht sollten wir langsam von hier verschwinden«, schlug er vor, um das Schweigen zu brechen. Sie nickte. Als sie sich von ihm abwandte, um das Feuer zu löschen, hatte Sariel den Eindruck, dass sie ihm noch etwas Wichtiges hatte sagen wollen. Sariel verfluchte sich, dass er diesen Moment mit einem Satz zerstört hatte.
    Später am Tag stießen sie auf eine frische Kalmarspur. Sariel hätte sie nicht erkannt, aber Liya entdeckte sie sofort. Angewidert sah Sariel zu, wie sie die weißliche Kalmarkacke zwischen zwei Fingern zerrieb.
    »Keine zwei Tage alt.«
    »Und wenn schon. Hier gibt's doch bestimmt noch mehr Kalmare. Ich hab selbst einen gesehen, der allein hier umherstreunte.«
    Liya sagte nichts dazu, aber Sariel sah ihr an, wie beunruhigt sie war. Den Grund dafür erfuhr Sariel kurz darauf, als Liyas scharfe Augen die sorgfältig verwischten Reste eines Lagerfeuers entdeckten.
    »Soweit ich weiß, sind in dieser Gegend keine Karawanen und keine Zhan Shi unterwegs. Die Spur deutet auf einen Kalmar mit einem Reiter hin. Aber kein Ori würde sich allein durch das Gebirge wagen.«
    »Und das bedeutet was?«, fragte Sariel, jetzt ebenfalls beunruhigt.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Liya leise und erhob sich wieder. Erst als sie wieder auf Biao saßen und weiterritten, erzählte sie Sariel von der Katastrophe. Von ihrem Trupp. Von Mingan, der kleinen Duo, von Naiyong, Gui, Yan und von ihrer Freundin Yuanfen, die so gerne Geschichten hörte und heilen konnte. Ohne sichtbare Regung berichtete Liya von den Gigamiten und von den Schusswunden, die sie in den Leichen der Mädchen entdeckt hatte. Und sie gestand Sariel ihren Verdacht. Den Verdacht, der sie nun schon seit vielen Tagen quälte.
    Dass es einen Verräter unter den Zhan Shi gab. Jemand, der sie mit Absicht ins Verderben geschickt hatte.
    Vom elften Tag an ging es fast nur noch bergab. Je tiefer sie kamen, desto mehr Vegetation gab es. Sie überquerten weite Grasflächen, auf denen schneckenartige Tiere in der Größe von Hasen herumhüpften und an niedrigen Sträuchern fraßen. Das Gras war hart und kurz und schimmerte blassbläulich. Bisher hatte Sariel nur Wüstengegenden ohne nennenswerten Bewuchs kennengelernt, daher verwunderte ihn die Farbe des Grases. Aber in den vergangenen zweihundert Millionen Jahren hatten auch die Pflanzen eine völlig neue Evolution durchgemacht. Die meisten Arten nutzten zwar immer noch eine der genialsten Entwicklungen der Natur - die Fotosynthese -, allerdings nicht mehr nur mithilfe des grünen Chlorophylls, das den Pflanzen der Menschenzeit ihre charakteristische Farbe verliehen hatte. Die Pflanzen auf Pangea nutzten inzwischen auch andere Stoffe und traten daher in einer neuen Farbenvielfalt auf. Pangea, das

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