Panic
suchte nach Antworten, die mir Peyote nicht geben wollte. Datura hat mir den Wolf an die Seite gestellt, mir die Augen geöffnet.«
Trotzig reckte er das Kinn vor. »Glaubst du, das war falsch?«
Er sagte das mit solcher Eindringlichkeit, dass ich unwillkürlich den Kopf schüttelte, auch wenn ich keine Ahnung hatte, wovon er überhaupt redete. »Nein«, sagte ich. »Wissen ist gut.«
Er nickte, sagte aber nichts mehr. Er arrangierte die Pfeile strahlenförmig um die Trommel, die Spitzen nach außen wie bei einem Kompass. Dann träufelte er Blut auf die gelben Pfeile, schmierte sich blutige Streifen auf die Wangen und begann zu singen, leise zuerst, dann immer lauter, bis der Gesang den ganzen Raum erfüllte. Es klang wunderschön, trotz der heiseren, hohlen Stimme, und obwohl ich die Worte nicht verstand, ahnte ich, dass er zu seinem Tatewari sprach, dem Gott der Sierra Madre.
Jetzt wurde jede seiner Handlungen zur präzisen, ritualisierten Geste, mit einer Bedeutung unterlegt, die ich nur erahnen konnte. Er fasste wieder in den Medizinbeutel aus Hirschleder, holte eine dicke hölzerne Pfeife mit kurzem Stiel hervor und noch einen zweiten, kleineren Beutel. Er öffnete den Beutel und ein scharfer, pilzartiger Geruch wehte mir entgegen. Er nahm ein Büschel dunkler Fasern heraus, stopfte die Pfeife damit und legte sie auf die Trommel.
Dann stand er auf, setzte sich die Wolfsmütze auf, verbeugte sich in alle vier Himmelsrichtungen und tänzelte erneut im Uhrzeigersinn um die Feuerstelle; dabei hörte er nicht auf, mit heiserer, hohler Stimme zu singen.
Nachdem er die Feuerstelle dreimal umrundet hatte, kniete er nieder, holte Streichhölzer aus dem Beutel, zündete eines an und hielt die Flamme an den Pfeifenkopf. Der süßliche Rauch, den ich nebenan im Altarraum gerochen hatte, stieg aus der Pfeife. Er sog ihn ein, hielt den Atem an und stieß dann eine graue Wolke aus. Seine Lider begannen zu flattern, drohten zuzufallen, doch er ließ es nicht zu.
»Ein weiser alter Mann aus der Sierra lehrte mich die Mischung«, sagte er und hielt mir die Pfeife an den Mund. »Datura, Keili – der Baum des Windes – Peyote, Cannabis und dieser Pilz. Er nannte sie den ›Weg zu vergangenen Visionen‹. Ich nenne es den Weg der Erinnerung. So sehe ich, was Tatewari mit mir vorhat. Was hat er mit dir vor, Little Crow?«
Er bedeutete mir, die Pfeife in den Mund zu nehmen. Ich schüttelte heftig den Kopf und biss die Zähne zusammen. »Nein, ich will nicht.«
Da packte er mich am Hinterkopf. Ich wehrte mich, aber er hielt mich gnadenlos fest, schloss die Lippen um den Pfeifenkopf und blies mir den Rauch durch den Stiel ins Gesicht. Als ich mich weigerte einzuatmen, hielt er mir mit der anderen Hand die Nase zu und schüttelte mich wie einen ungehorsamen Hund. Ich schrie, schluckte Luft und mit ihr den Rauch, der uns jetzt einhüllte wie Nebel.
Er gab erst nach, als ich die Droge mehrmals tief inhaliert hatte. Dann widmete er sich wieder dem Gesang, der mich bald umhüllte wie eine warme Decke. Ich freute mich an seiner Stimme, konzentrierte mich auf ihn und auf die gefiederten Pfeile, die er um sich schwang, als wolle er die Luft damit reinigen. Dabei hinterließen sie glitzernde rote und gelbe Kondensstreifen im Raum.
Die Höhlenwand hinter ihm funkelte und pulsierte. Mir klingelten die Ohren, und eine Schwere an der Schädelbasis dehnte sich aus und stieg mir in den Kopf, wo sie sich wie eine warme, tröstliche Flüssigkeit hinter den Augen sammelte. Mein Kopf schien sich vom Körper abzuspalten und anzuschwellen. Er hatte plötzlich ein Eigenleben, war imstande, alles zu hören, zu spüren und zu sehen. Das Muster der Moosflechte an den Höhlenwänden wurde lebendig, regte sich im Rhythmus meiner Atemzüge und entfaltete tausend verschiedene Formen.
Ich sah dem Treiben schier eine Ewigkeit lang zu, bis ich mich wieder auf ihn konzentrierte. Seine Augen waren geschlossen, er schaukelte vor und zurück und sang jetzt eine andere Melodie. Seine Stimme, leidenschaftlich und sehnsüchtig, wurde von den Höhlenwänden zurückgeworfen und drang tief in mich ein, vermischte sich mit den Drogen, und ich sah im Geiste leuchtende, halluzinatorische Farben. Die Lider wurden mir schwer, und als ich sie zumachte, badete ich in Rubinen, Perlen und Smaragden.
Plötzlich wurde alles schwarz, und ich hatte große Angst. Dann tauchte, wie am nächtlichen Himmel, der erste Stern hinter windgetriebenen Wolken hervor. Der Stern
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