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Panik: Thriller (German Edition)

Panik: Thriller (German Edition)

Titel: Panik: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Gordon Smith
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mehr klar hatte denken können. Ob der Mann Cal wirklich erschießen wollte? Sie würden es niemals herausfinden; sie hatte ihn getötet, bevor er irgendwas sagen konnte. Und was noch schlimmer war: Das war kein Irrer gewesen. Er hatte zu ihnen gehört.
    Ihre Gedanken flackerten so unruhig wie die Kerze. Sie hatte nicht nur einen Mann umgebracht, sondern auch etwas anderes. Sie schloss die Augen, zwang sich, alles noch einmal zu durchleben, sah das Ding, das aus dem Körper des Mannes geschlüpft war wie aus einem Schlafsack oder einem Kostüm, sah, wie es sich wütend den Weg frei riss, wie es seinen grässlichen Mund öffnete, sie anheulte und seine Feuerflügel ausbreitete. Das konnte unmöglich real gewesen sein, und doch war dieses Ding, diese Kreatur wirklicher als alles andere.
    Sie zitterte am ganzen Körper und klapperte mit den Zähnen.
    Denk nach, du dummes Huhn, ermahnte sie sich und schlug sich auf die Stirn. Was war das für ein Ding gewesen? Wieso hatte es sich als Mensch verkleidet?
    Vielleicht war es gar keine Verkleidung gewesen– sondern ein Versteck.
    Seine Augen hatten gefunkelt– nicht vor Wut, sondern vor Macht. Ihre Hitze schien sich in ihren Verstand zu brennen und verkohlte Spuren zu hinterlassen. Was war das? Und– was noch viel wichtiger war– wenn es sich in diesem Mann versteckt hatte, bedeutete das, dass ein ähnliches Wesen auch in ihr lauerte? In ihnen allen? Waren sie deshalb anders als die anderen? Waren sie etwa…
    Das Wort » auserwählt« tauchte in Rilkes Kopf auf. Genau so ist es, oder nicht? Wir sind etwas Besonderes, wir sind auserwählt.
    Zitternd und fiebrig umklammerte sie den Tisch. Was war nur los mit ihr? Was bekämpfte ihr Körper da. Wie alle Bastion-Frauen war sie sehr stark. Wenn sie sich etwas in den Kopf setzte, bekam sie es auch, koste es, was es wolle. Kein Wunder, dass sie auserwählt war.
    Doch wofür? Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Ihre Haut war heiß und feucht von Schweiß. Hier war es so kalt wie in einer Kirche, und bei diesem Gedanken dachte sie an St. Peter in ihrem Dorf. So lange sie sich erinnern konnte, hatte sie jede Woche zum Gottesdienst dorthin gehen müssen. Vielleicht war das ja doch keine Zeitverschwendung gewesen. In den Geschichten, die sie in den Predigten gehört hatte, ging es immer um irgendwelche Auserwählten.
    Auserwählt, um Gutes oder Böses zu tun.
    » Warum sind wir hier, kleiner Bruder?«, fragte sie Schiller. » Kannst du es von dort erkennen, wo du gerade bist? Siehst du die Antwort?«
    Es könnte eine Prüfung sein. Möglicherweise hatte sie den Mann erschießen müssen, um zu beweisen, dass sie stark genug für alle Aufgaben war, die man ihr zuwies. Und er war das Opfer gewesen, ein entbehrlicher Bauer auf einem großen Spielfeld, der ihr die richtige Richtung weisen sollte. In den Geschichten der Bibel gab es ja auch immer solche Bauernopfer.
    Sie hatte getötet. War das wirklich so schlimm? Es war nichts anderes gewesen, als mit Schiller auf die Ratten im Getreidespeicher zu schießen oder die Tauben von den Telefonleitungen und Dachrinnen zu holen. Einmal hatte sie sogar eine Katze erschossen, aber die hatte schon seit Gott weiß wie lange in einer Fuchsfalle gesessen und war sowieso fast hinüber gewesen. Tote Ratten, tote Katzen, tote Vögel, tote Menschen. Für sie machte das keinen Unterschied.
    Sie war schließlich nichts davon.
    Das Restaurant drehte sich. Ihr wurde schwindlig, und sie musste sich am Tisch festhalten, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Ihr Körper wurde wie im Fieber durchgeschüttelt, und dann begriff sie die Wahrheit, so hell und golden wie die Morgensonne. Es war beinahe zu viel für ihren Verstand. Sie schloss die Augen. Ihre Lippen verzogen sich zu einem bibbernden Grinsen.
    Schlagartig wusste sie ganz genau, was sie zu tun hatte.

Daisy
    Fursville, 13 : 56 Uhr
    » Vermisst du deine Eltern?«, fragte Daisy.
    Sie saß auf einem der letzten drei Pferde des Karussells. Dass die Farbe abgeblättert war, fand sie nicht so schlimm – das graue Plastik ließ es noch mehr wie ein echtes Pony aussehen. Nur ein Teil seines Gesichts, die großen Augen und die gewaltigen Zähne waren noch zu erkennen. Was sie ein bisschen an den Sanitäter erinnerte, eine Vorstellung, die sie sofort wieder aus ihrem Kopf scheuchte. Das hier war ihr wunderschöner weißer Lipizzaner namens Angie – Angie war der Name ihrer Mutter. Sie lehnte sich gegen die Stange, ließ gedankenverloren die Beine

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