Panik: Thriller (German Edition)
Sie wollen uns aufhalten.«
Sie ging rückwärts auf die Tür zu, die zum Keller führte. Dann packte sie die Türklinke. Brick spannte die Muskeln an, als wollte er sich auf sie stürzen.
» Tu das nicht«, knurrte er. » Sonst bring ich dich um.«
» Was tun?«, fragte Cal. » Was ist da unten?«
Brick blendete ihn aus, blendete sie alle aus. Sein Kopf war wie ein Ofen, voll glühender Hitze und Rauschen. Er trat vor und blieb selbst dann nicht stehen, als Rilke die Waffe auf ihn richtete und er in das schwarze, unbarmherzige Auge der Mündung blickte. Sie war verrückt, aber nicht verrückt genug, um tatsächlich abzudrücken.
Ein Blitz durchzuckte den Flur. Der Schuss dröhnte in seinen Ohren. Als ob eine Kanone abgefeuert worden wäre. Er ging in die Knie, fuhr mit den Händen über sein Gesicht und erwartete, Blut darauf zu sehen. Aber alles war noch an seinem Platz.
» Der nächste Schuss geht nicht daneben.« Sie hatte genau dasselbe gesagt, bevor sie dem Mann ins Gesicht geschossen hatte. Sie öffnete die Tür und ging vorsichtig und ohne ihn aus den Augen zu lassen die Treppe hinunter.
» Bitte«, sagte Brick mit erstickter Stimme. Auf allen vieren kroch er zur Treppe. Er hörte Lisas panische Rufe. Je näher Rilke ihr kam, desto weniger menschlich klangen sie. » Bitte tu’s nicht, tu ihr nichts, sie hat dir nichts getan.«
» Noch nicht«, sagte Rilke. » Würde sie aber, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommt. Wie alle anderen. Jetzt heißt es wir gegen sie. Und wir sind so viel besser als sie.« Ein wahnsinniges Kichern hallte durch das finstere Treppenhaus. » Wir sind jetzt Kreaturen des Feuers. Und wozu ist Feuer gut? Es reinigt.«
Brick weinte. Alles, was sich in ihm aufgestaut hatte, brach nun mit Macht aus ihm hervor. Unglaublich heiße Tränen fielen auf seine Hände. Er sah nur verschwommen, wie Rilke die Eisenstange beiseite trat, die er vor die Kellertür geklemmt hatte. Lisa warf sich heulend und kreischend dagegen.
Das konnte nicht das letzte Geräusch sein, das sie in ihrem Leben von sich gab. Unmöglich. Er wollte noch einmal ihre Stimme hören, selbst wenn sie sich nur über ihn beschwerte. Er wollte ihr Lachen hören, das er früher so nervtötend gefunden, über das er aber insgeheim gelächelt hatte. Er wollte ihre Lippen auf seinen eigenen spüren, die Wärme ihres Körpers.
» Rilke«, schluchzte er. » Ich flehe dich an.«
» Nicht«, rief sie die Treppe hinauf. » Du bist jetzt etwas Besseres. Du bist mehr als das.«
Sie riss die Kellertür auf. Brick sah, wie eine Gestalt auf allen vieren daraus hervorstürzte und mit dem Kopf voran gegen die Wand krachte. Brick sah, wie Rilke die Waffe auf Lisa richtete. Er sah, wie sie abdrückte. Dann schloss er die Augen und ließ sich von seiner Trauer übermannen.
Durch seine tiefen Schluchzer und das Dröhnen in seinen Ohren hörte er, wie Rilke die Treppe hinaufging. Sie legte eine Hand auf seine Schulter.
» Irgendwann wirst du mir dafür dankbar sein«, sagte sie.
Dann war sie verschwunden.
Daisy
Fursville, 14 : 48 Uhr
Daisy konnte sich nicht mehr bewegen. Als wäre ihr Körper eine Statue, Stück für Stück aus Stein gemeißelt. Rilke kam die Treppe rauf und klopfte Brick auf die Schulter. Dann kam sie ganz ruhig durch den Flur auf sie zu. Daisy wollte wegrennen, bevor Rilke sie auch noch erschießen konnte, aber ihre steinernen Beine wollten ihr nicht gehorchen. Sie war in diesem nach Pulverdampf und Fleisch stinkenden Korridor gefangen.
» Hab keine Angst, Daisy«, sagte Rilke und beugte sich vor. Das Licht aus dem Foyer spiegelte sich in ihren Augen. Sie funkelten, als wären sie radioaktiv oder so. » Du begreifst es vielleicht jetzt noch nicht, aber ich musste es tun«, sagte sie. » Wir sind gleich, du und ich. Sieh in deinen Kopf, und bald wirst du die Wahrheit erkennen.«
Rilke richtete sich wieder auf und ging durch die Tür. Jetzt erfüllte Bricks Schluchzen den Flur. Es waren grässliche Geräusche, weil sie von ihm kamen. Er war doch so stark. Die Bricks dieser Welt durften nicht weinen. Sie konnten doch alles ertragen.
» Brick?« Cal hatte sich über den größeren Jungen gebeugt und seine Hand auf die Stelle gelegt, die Rilke gerade noch berührt hatte. Chris und Jade sahen aus, als würden sie ein Theaterstück betrachten. Ihre Münder standen offen. » Alter, was war das denn gerade? Wer war das da unten?«
Seine Freundin natürlich, dachte Daisy. Lisa. Sie war da unten eingesperrt gewesen,
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