Panik: Thriller (German Edition)
stolperte über den Beistelltisch, und sie verloren beide das Gleichgewicht. Er landete auf ihr, hörte, wie sie unter seinem Gewicht grunzte. Sie rollten durch den Raum, bis sie schließlich rittlings auf ihm saß. Ihre Zähne lösten sich von seiner Augenbraue. Jetzt versuchte sie, ihn in die Wange zu beißen. Er konnte gerade noch eine Hand dazwischenschieben, bevor ihr Kiefer erneut zuschnappte. Sie hatte einen Zahn verloren, was ihr aber nichts auszumachen schien. In ihren Augen funkelte nur blanker Hass. Sie war wie tollwütig. Wahnsinnig.
Sie wollte ihn töten.
Er holte aus und schlug ihr auf die Nase. Warmes Blut spritzte auf ihn. Dann rammte er ihr das Knie in die Rippen und stieß sie gleichzeitig von sich herunter.
Er packte den Beistelltisch und zog sich auf die Beine. Mit der Geschwindigkeit einer Schlange schoss Lisa vor. Ihre Zähne gruben sich in seine Ferse. Der Schmerz war so stark, dass er um ein Haar wieder umgefallen wäre. Er riss sich los und humpelte auf die Kellertür zu. Als er Lisa auf dem Boden scharren hörte, drehte er sich um. Sie lag zappelnd auf dem Rücken. Ihr Fuß sah irgendwie komisch aus, stand in einem seltsamen Winkel ab. Trotzdem rollte sie sich herum und stand auf, als hätte sie gar nicht bemerkt, dass ihr Bein gebrochen war. Mit schwerfälligen langen Schritten kam sie auf ihn zu.
Brick rannte los, hörte, wie sie aufholte, hörte das tierische Gebrüll, das aus ihrem Mund drang. Er fiel durch die Tür und prallte mit dem Kopf voraus gegen die Mauer dahinter. Er trat in der Dunkelheit um sich, dann drehte er sich um. Lisa kam auf ihn zu. Sie hatte Schaum vor dem Mund, und Blut floss aus ihrer Nase.
Er trat die Tür zu. Der ganze Flur schien zu vibrieren, als Lisa auf der anderen Seite dagegenkrachte. Die Tür gab nach, und er drückte den Rücken gegen die Wand und streckte die Beine aus. Ausnahmsweise war er froh, dass sie lang genug waren, damit er sie gegen den Metallbeschlag unten auf der Tür stemmen konnte. Er hörte Schritte, dann fuhr ein Ruck durch seine Wirbelsäule– als würde sich nicht ein sechzehnjähriges Mädchen, sondern ein Rhinozeros gegen die Tür werfen.
Wieder Schritte. Der nächste Versuch. Brick spannte alle Muskeln an, als die Tür erzitterte und zurück ins Schloss fiel, aufschnappte und ins Schloss fiel, wie ein fürchterlicher Herzschlag, in dessen Rhythmus sie wieder und wieder anstürmte. Erst jetzt bemerkte er, dass er weinte wie ein Baby, dass sein Gesicht nass von Tränen und Rotz und Blut war. Er konnte nicht damit aufhören, konnte die schweren Seufzer nicht unterdrücken. Er lag im Flur, weinte und jammerte in der grenzenlosen Dunkelheit, während Lisa nach seinem Blut schrie.
Der Andere: Erster Teil
Fürchtet den Atem des Tieres;
Im Tode wird es auferstehen,
Und in unserer dunkelsten Stunde
Wird es uns verschlingen
Das Buch Hebron
Murdoch
Scotland Yard, 23 : 59 Uhr
Es war fast Mitternacht in einer der heißesten, schwülsten Nächte des Jahres, und er saß in der Leichenhalle von Scotland Yard fest. Er fühlte sich wie lebendig begraben.
Dabei hatte er noch nicht mal Dienst.
Inspector Alan Murdoch stapfte die letzten Treppenstufen hinunter und durch den grün gefliesten Flur. Der Empfang war nicht besetzt– zu dieser späten Stunde kein Wunder. Zum Glück kannte er den Weg. Das Leichenschauhaus war sein zweites Zuhause, er verbrachte in dieser Gruft mehr Zeit als bei seiner Frau und seinem Baby, das er in den vier Wochen seit seiner Geburt vielleicht ein Dutzend Mal zu Gesicht bekommen hatte. Er kannte auch den Raum hinter der Tür; die rissige Pinnwand, an der der Hinweis » Schmutzige Hände können Beweismittel verunreinigen: Händewaschen nicht vergessen!« hing, die Polsterbänke an der Wand, aus denen der Schaumstoff quoll, als hätte man sie ebenfalls seziert, die Staubflusen in der Ecke um den Plastikkaktus, die die Putzfrau regelmäßig übersah– all das kannte er besser als das Gesicht seines Sohnes.
Murdoch seufzte und fuhr mit der Hand über die Bartstoppeln. Seit zwölf Stunden, dem Beginn seiner eigentlichen Schicht, hatte er sich nicht mehr rasiert. Dann lehnte er sich gegen die Tür und wäre fast in den Vorraum gefallen. Der um diese Zeit üblicherweise verlassen war – aus irgendeinem Grund kamen die Leute nachts nicht so gerne hierher. Doch diesmal war es anders. Er zählte schnell durch: Acht Personen drängten sich in dem kleinen Raum. Sie umringten seinen alten Freund Dr. Sven Jorgensen, den
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