Panik: Thriller (German Edition)
und legte die Hände noch fester vors Gesicht. Seine Augenbraue tat weh– er hatte tatsächlich Lisas fehlenden Zahn aus seiner Haut ziehen müssen. Der Zahn lag nach wie vor in seiner Hand, und das geschwollene rechte Auge konnte er kaum öffnen.
Er starrte in die Pfütze aus fast flüssig wirkender Dunkelheit am Ende der Treppe. Der schwache silberne Schein des Deckenlichts wagte sich nicht einmal in die Nähe des Kellers. Brick konnte gerade so den Kerzenschein erkennen, der durch den Türspalt fiel. Seit Lisa Ruhe gab, flackerte er auch nicht mehr. Er hatte überlegt, nach ihr zu sehen, doch sein Körper hatte sich einfach geweigert, auch nur einen einzigen Befehl seines Gehirns auszuführen.
Was war jetzt der Plan? Keine Ahnung. Am liebsten hätte er sich hingelegt und geschlafen, um am nächsten Morgen in seinem Bett aufzuwachen und eine SMS von Lisa auf seinem Handy vorzufinden: Sorry, kommt nicht mehr vor. Leider war er viel zu aufgeregt, um schlafen zu können. Sein Körper schmerzte von dem Kampf, das Adrenalin hatte sich zu einer stacheligen Kugel in seinem Magen zusammengezogen, und seine Arme waren schwer wie Blei.
Ein leises Geräusch drang von unten herauf. Brick legte den Kopf schief, sein Herz fing wieder an zu rasen. Erst dachte er, er hätte es sich nur eingebildet, doch dann ertönte ein weiteres Rascheln, gefolgt von einem Kratzen, wie Fingernägel auf Holz.
Sie war aufgewacht.
Brick erstarrte, wagte nicht einmal, laut zu atmen– aus Angst, ihren Wahnsinn erneut auszulösen. Der Lichtstreifen im Türspalt teilte sich erst in zwei, dann in vier Abschnitte, dann verschwand er völlig, als sich Lisa gegen die Tür drückte. Er hörte ihren pfeifenden, verzweifelten Atem. Sie rüttelte an der Türklinke. Die Eisenstange hielt stand.
» Brick.«
Es war die Stimme einer alten Frau. Sie sprach seinen Namen sehr seltsam aus, das » B« verschluckte sie völlig, das » r« war nur noch ein » w«. Doch sie klang ängstlich, nicht wütend.
» Hil… hil mi.«
Brick rutschte das Herz in die Hose. Er stand schwankend auf.
» Hilf mir.«
» Lisa?«, sagte er mit hoher, brüchiger Stimme. Das Rascheln wurde lauter. Er hörte, wie sie an der Tür kratzte.
» Lass mich raus, Brick«, sagte sie. » Bitte. Ich bin verletzt. Ich will nach Hause. Lass mich raus, ich mach auch alles, was du willst. Bitte.«
Brick fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Wieder spürte er die Tränen in sich aufsteigen, als er Lisa im Keller weinen hörte. Er trat auf die nächste Stufe und hielt dabei das Geländer so fest umklammert, als würde er den Mount Everest hinunterklettern.
» Brick, bitte«, schrie Lisa. » Ich hab Angst. Warum machst du das?«
» Ich mach gar nichts«, krächzte er und ging eine weitere Stufe hinunter. » Du hast mich angegriffen. Du hast mich gebissen.«
» Hab ich nicht«, antwortete sie so tränenerstickt, dass sie kaum zu verstehen war. » Ich hab gar nichts gemacht. Lass mich frei, Brick. Ich sag’s niemandem. Versprochen.«
Was denn sagen? Was glaubte sie denn, was hier passiert war? Vielleicht konnte sie sich an nichts mehr erinnern und glaubte jetzt tatsächlich, dass er sie angegriffen hatte. Sein Fuß hielt über der nächsten Stufe inne. Dann zog er ihn zurück.
» Brick!«, schrie sie und rüttelte am Türgriff. » Ich blute!«
Und damit verabschiedete sich sein Selbsterhaltungstrieb. Was, wenn sie tatsächlich schlimm blutete? Wenn sie im Sterben lag? Wenn sie ihn dann verhafteten und verhörten? Er hatte sie nicht angegriffen; wenn sie ihn an einen Lügendetektor oder so anschlossen, würden sie das schnell herausfinden. Und das da drin war Lisa. Er konnte nicht einfach herumstehen und sie im Keller des PAV LLO von Fursville verbluten lassen.
» Okay, ich komme. Halt durch«, sagte er und ging unsicher die Treppe hinunter. Vorsichtig bahnte er sich einen Weg durch die Finsternis. Lisas Schluchzer wurden immer lauter, das Kratzen der Nägel auf der Tür ließ ihm die Haare zu Berge stehen.
» Beeil dich«, sagte sie. » Blu… hil…«
Im Flur tastete er nach der Eisenstange. Lisas Stimme hinter der Tür wurde immer schwächer. Er konnte sie vor sich sehen, in einer riesigen Blutlache, wie sie versuchte, trotz des gebrochenen Beins aufzustehen. Er hörte ein Grunzen und ein verzweifeltes Luftholen.
» Brick… la… mi… rau…«
» Warte«, sagte er und packte die Stange mit beiden Händen. » Einen Moment.«
Ihre Worte waren nur noch bedeutungslose Geräuschfetzen
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