Panther
So als wolltest du dich über verkrüppelte Leute lustig machen.«
Nick stieg die Röte ins Gesicht. »Ganz im Gegenteil«, sagte er. »Mein Dad ist im Irak schwer verwundet worden. Er hat den rechten Arm verloren und einen Teil der Schulter.«
Marta stockte der Atem. »Oh Gott, das tut mir leid. Wird er wieder gesund?«
»Schon«, sagte Nick angespannt. »Aber er wird für den Rest seines Lebens Linkshänder sein.«
»Also deswegen der Armwechsel.« Marta lächelte und zwickte den leeren Jackenärmel. »Ganz schön cool.«
»Wenn du meinst.«
»Im Ernst«, beteuerte sie. »Wann kommt er nach Hause?«
»Schon bald hoffentlich.« Nick erzählte ihr von dem Besuch im Militärhospital. »Deswegen war ich Donnerstag und Freitag auch nicht in der Schule.«
»Davon hat uns keiner was gesagt«, antwortete Marta. »Ich dachte, du hättest die Grippe.«
»Schön wär’s«, sagte Nick düster. Danach schwieg er, bis sie an der Schule ankamen.
In der ersten Stunde hatten sie Englisch. Der Lehrer, Mr. Grunwald, hielt einen Vortrag über eine berühmte Kurzgeschichte von Stephen Crane – Das offene Boot. Nick hatte sie auf dem Rückflug von Washington zu Ende gelesen. Als er versuchte, seinen Ordner aus dem Rucksack zu holen, klemmte der Reißverschluss. Wäre Nicks Arm nicht auf dem Rücken festgebunden, wäre das keine große Sache gewesen, aber die ungeübte linke Hand schaffte es nicht, den verhakten Reißverschluss freizubekommen. Jedes Mal, wenn er daran zerrte, kam der ganze Rucksack mit hoch, und Nick konnte nicht am Reißverschluss ziehen.
Mickey Maris, der hinter Nick saß, sah, was passierte, und beugte sich vor, um zu helfen. Nick winkte ab. Mit grimmiger Entschlossenheit stellte er beide Füße auf den Rucksack, damit er unten blieb. Mit aller Kraft ruckte er dann am Schieber, der prompt abriss. Nick schimpfte kaum hörbar. Er hob den Rucksack auf seinen Schoß und trennte mit der Spitze seines Kulis die Zähne des kaputten Reißverschlusses, um die widerspenstige Schultasche aufzubekommen. Endlich konnte er seinen Englischordner hervorholen. Er legte ihn aufgeschlagen aufs Pult und nahm vorsichtig den Stift in die linke Hand, um mitzuschreiben.
»Die berühmte Geschichte einer schiffbrüchigen Schiffsbesatzung«, erzählte Mr. Grunwald, »basiert auf einer wahren Begebenheit, die sich in der Jugend des Autors ereignet hatte.«
Es war ein merkwürdiges Gefühl, mit links zu schreiben, so als hätte er eine Krabbenklaue am Ende seines Arms. Nick gab sich große Mühe, den Stift weich übers Papier zu führen. »Basiert auf wahrer Geschichte«, wollte er notieren, aber was dann auf dem Papier zu sehen war, sah eher so aus, als hätte ein Wurm blaue Spuren hinterlassen – zudem ein Wurm, dem ziemlich schwindlig gewesen sein musste.
Mickey Maris, der Nick über die Schulter geschaut hatte, flüsterte ihm zu: »Lass gut sein, du kannst mein Heft nachher ausleihen und einscannen.«
Nick schüttelte entschieden den Kopf. »Aber danke trotzdem.« So schnell würde er nicht aufgeben.
Am Ende der Stunde wurden die Buchstaben, die er so mühsam aneinanderzureihen versuchte, langsam denen ähnlich, die in englischen Wörtern vorkamen. In der zweiten Stunde hatten sie Mathe, und die seltsamen Formeln stellten eine neue Herausforderung dar. Immerhin ließen sich Ziffern und Symbole mit der ungeübten Hand leichter meistern als das Alphabet.
Zu Beginn der Biologiestunde pochte es im linken Arm, und in den Fingern hatte er einen Krampf. Ein Vertretungslehrer stand mit dem Rücken zur Klasse an der Tafel und schrieb etwas an.
»Ist Mrs. Stark immer noch nicht da?«
»Sie hat Urlaub genommen – kannst du das glauben?«, flüsterte Marta zurück. »Das hat Dr. Dressler am Freitag bekannt gegeben.«
Komisch, dachte Nick. »Hat er gesagt, wieso?«
»Ein familiärer Notfall, hat er gemeint. Was immer das sein soll.« Martas Handy vibrierte, und sie stellte es ab. »Aber die alte Hexe soll wohl zurückkommen. Leider.«
Nick mühte sich, sein Biologiebuch aus der Tasche zu zerren. »Und was ist mit Smoke?«, fragte er.
»Niemand hat ihn gesehen. Er hat sich bestimmt von der Schule abgemeldet, oder Dr. Dressler hat ihn rausgeworfen«, sagte Marta. »So oder so kein großer Verlust.«
»Vielleicht haben sie ihn eingelocht, wegen Brandstiftung.«
»Libby sagt Nein. Ihr Dad bearbeitet den Fall, das heißt, sie hätte davon gehört«, antwortete Marta. »Hey, wie geht’s deinem Arm, Linki?«
»Ausgezeichnet«,
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