Panther
USA lebten im Frieden, und weder Greg noch seine Familie hätten sich je vorstellen können, dass er tatsächlich ins Ausland geschickt würde, um dort zu kämpfen. Doch die Besetzung des Iraks hatte auf einmal alles verändert.
»Haben sie gesagt, wann ich nach Hause darf?«, fragte Nicks Vater.
»Kommt ganz darauf an. Morgen geht erst mal die Reha los«, sagte Nicks Mutter.
»Das wird ein Spaß«, sagte Greg Waters und blinzelte heftig. »Wenn ich nur nicht so verdammt müde wäre.«
Nicks Blick fiel auf den weißen Wulst aus Verbandmaterial und Klebestreifen, wo einst der muskulöse Arm seines Vaters gewesen war. Die Bandagen glänzten so stark, dass sie unecht aussahen, wie Teile eines Mumienkostüms für Halloween.
»Ruh dich ein bisschen aus, Greg, wir kommen wieder, wenn sie dir dein Abendessen bringen«, sagte Nicks Mutter.
»Aber du hast nicht vor, mich wie ein Baby zu füttern, oder?«
»O nein, mein Herr. Das machen Sie mal bitte schön alleine.«
»So gefällst du mir.« Nicks Vater lächelte. »Und du, Nicky, hältst du dich tapfer?«
»Mir geht’s gut, Dad.«
»Es ist ziemlich übel, ich weiß, aber es hätte schlimmer kommen können«, sagte Greg Waters. »Ich kann von Glück reden, dass ich lebendig rausgekommen bin. Der Junge, der neben mir im Jeep saß, hat’s nicht geschafft.«
In Nicks Kopf drehte sich auf einmal alles. »War das ein Freund von dir?«
»Wie ein Bruder war er für mich.«
Nick schaute zu Boden. Der Gedanke war kaum auszuhalten, wie nah sein Vater dem Tod gewesen war.
Als er wieder aufsah, schlief Hauptmann Gregory Waters tief und fest.
Nach einem Besuch bei Duane Scrod senior, der nicht besonders hilfsbereit war, holte Kriminalkommissar Jason Marshall Dr. Dressler an der Schule ab und fuhr mit ihm zum Haus von Bunny Stark. Der Schulleiter hatte darum gebeten, mitkommen zu dürfen, und dem Kommissar war es recht.
Als die beiden die knarrenden Stufen zur Veranda hinaufgingen, entfuhr es Dr. Dressler: »Die Ratte ist weg!«
»Die was?«, fragte der Kommissar.
»Auf dem Schaukelstuhl saß eine ausgestopfte Ratte«, erklärte Dr. Dressler. »Die hatte sie nach einer früheren Schülerin benannt.«
Jason Marshall sah ihn ungläubig an.
»Im Ernst«, beteuerte Dr. Dressler.
Der Kommissar klopfte an die Tür. Niemand antwortete. Er drückte auf die Klingel, die aber nicht funktionierte. Die Männer gingen ums Haus herum und pochten an die Hintertür. Auch hier erschien niemand.
»Dann werde ich wohl morgen noch mal wiederkommen müssen«, sagte Jason Marshall.
Dr. Dressler war enttäuscht. »Können Sie nicht einfach die Tür aufbrechen? Was, wenn sie krank ist oder einen Unfall hatte oder … etwas passiert ist?«
»Ohne Durchsuchungsbefehl kann ich nicht einfach in ein Haus gehen«, erklärte der Kommissar. »Und kein Richter stellt mir einen Untersuchungsbefehl aus, solange wir keinen Anlass zu der Vermutung haben, dass hier ein Verbrechen vorliegt. Und dafür gibt es keinerlei Beweise, Dr. Dressler.«
Frustriert folgte der Schulleiter Jason Marshall zurück zum Wagen.
»Was da in dem Brief steht, den ich bekommen habe, über einen ›familiären Notfall‹ – ich glaube das nicht«, sagte Dr. Dressler. »Die Frau hat meines Wissens weit und breit keine Familie.«
Der Kommissar lehnte sich gegen sein Auto und zog ein Päckchen Kaugummi aus der Tasche. Er bot Dr. Dressler einen Streifen an, doch der lehnte dankend ab.
»Libby hat mir so einige verrückte Geschichten über Mrs. Stark erzählt«, sagte Jason Marshall. »Kinder erzählen viel, wenn der Tag lang ist, normalerweise geb ich da nichts drauf. Aber jetzt hör ich von Ihnen, dass die Frau eine ausgestopfte Ratte auf ihrer Veranda sitzen hat – das ist doch nicht mehr ganz normal, oder?«
Dr. Dressler nickte. »Ein bisschen schrullig ist sie schon, das stimmt.«
»Vielleicht hat sie einfach die Nerven verloren, als es bei der Exkursion gebrannt hat. Das ist bestimmt ein Erlebnis, das einem Angst machen kann – aber irgendwann findet sie ihren Weg aus dem Wald und düst mit dem Asthmaspray zu uns. Dann fährt sie nach Hause, guckt in den Spiegel und sagt sich: ›Du lieber Himmel, ich hätte da draußen umkommen können. Ich brauch jetzt erst mal ein bisschen Ruhe!‹«
Dr. Dressler war skeptisch. »Nicht Bunny Stark.«
»Stellen Sie sich doch mal vor, Sie sind ganz allein im Reservat und es brennt«, sagte Jason Marshall. »Egal, was für ein zäher Bursche Sie sonst sein
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