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Panther

Panther

Titel: Panther Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hiaasen
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Libby leise, aber tapfer.
    Auch Rachel meldete sich zu Wort. »Wir sind schon längst über Seite 117 hinaus.«
    »Tatsächlich?« Etwas, das entfernt einem Lächeln ähnelte, glitt über Wendell Waxmos Gesicht. »Offenbar hat keiner von euch Erfahrung mit meinem Unterricht. Sonst wüsstet ihr, dass ich an Montagen immer die Seite 117 unterrichte – und nur die Seite 117 –, ganz egal, um welches Fach es sich handelt.«
    Nick biss sich auf die Lippe, um nicht laut zu lachen.
    »Heute Morgen zum Beispiel habe ich bereits an der Egmont Day School Miss McKay in ihrem Leistungskurs Geschichte vertreten«, fuhr der Lehrer fort. »Als es läutete, kannte jeder ihrer Schüler die Seite 117 des Geschichtsbuches praktisch auswendig. Und dabei handelte es sich um eine Karte des Römischen Reichs!«
    Vertretungslehrer waren oft ein bisschen verpeilt, aber Wendell Waxmo war eine Kategorie für sich. »Jeder Lehrer hat sein eigenes System, mit dem er am besten fährt«, erklärte er soeben. »Mrs. Stark hat ihrs, und ich hab meins, und das lautet: eine Seite auswählen, und dann: lernen, lernen, lernen.«
    Er blätterte, bis er die Seite 117 gefunden hatte, überflog ein paar Absätze, blickte dann munter auf und fragte: »Also, wer von euch kann mir sagen, wie Proteine in einer Zellmembran funktionieren?«
    Ausnahmsweise war selbst Graham zu verwirrt, um sich zu melden. Libby Marshall beantwortete die Frage leiernd: »Proteine setzen Chemikalien frei, die gewissen Zellen erlauben, miteinander zu kommunizieren, außerdem tragen sie dazu bei, Wasser und Glukose durch die Membran zu transportieren.«
    Dr. Waxmo war überglücklich. »Genau das meine ich, Leute! Das läuft doch wie geschmiert. Ich hoffe, ihr habt alle schön mitgeschrieben.«
    Marta gluckste leise. »Wozu? Über den Kram haben wir doch schon vor drei Wochen bei Mrs. Stark eine Arbeit geschrieben.«
    »Sag ihm das bloß nicht«, flüsterte Nick.
    Wenn Wendell Waxmo redete, hüpfte sein Adamsapfel auf und ab, dass die gelbe Fliege wackelte.
    »Und gleich geht’s weiter: Was ist ein Phospholipidmolekül? Du da!« Er zeigte auf Graham. »Definieren bitte.«
    Graham sah völlig verwirrt aus. »Das hab ich vergessen.«
    Wendell Waxmo runzelte die Stirn. »Steh auf, junger Mann.«
    Graham erhob sich unsicher. »Ja bitte?«
    »Schlaflied, bitte.«
    »Ich kenne keine Schlaflieder«, sagte Graham fast unter Tränen.
    Wendell Waxmo seufzte. »Ein Tag ohne Musik ist wie ein Tag ohne Sonne. Sing mir nach, bitte:
    Guten Abend, gute Nacht,
    mit Tulpen bedacht,
    mit Nägeln besteckt,
    spring unter die Deck …«
    Marta beugte sich zu Nick hinüber. »So geht das doch gar nicht.«
    »Was du nicht sagst!«
    Wendell Waxmo war als Sänger nicht gerade ein Naturtalent. Als er fertig geträllert hatte, saßen die Schüler da, stumm vor Erleichterung. Dr. Waxmo deutete ihr Schweigen als Zeichen der Ergriffenheit.
    »Du bist dran, junger Mann«, sagte er zu Graham.
    »Ich kann nicht singen.«
    »Wie bitte?«
    »Ich kann einfach nicht«, sagte Graham.
    Wendell Waxmo verschränkte die Arme. »Auf diesem Schlachtschiff habe ich das Kommando.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Und du wirst tun, was ich sage, oder die Folgen zu spüren bekommen.«
    Graham machte diese Drohung erkennbar Angst, auch wenn jeder wusste, dass Vertretungslehrer über sehr wenig Autorität verfügen. Er versuchte, dem Lehrer ein Angebot zu machen: »Ich glaube, ich weiß wieder, was ein Phospholipidmolekül ist«, sagte er tapfer.
    »Wen interessiert das schon? Sing jetzt.«
    »Guten Abend, gut’ Nacht« ,begann Graham mit gequälter Miene, »von Englein bewacht –«
    In diesem Moment flog die Tür auf, und ein Junge betrat den Raum. Nick erkannte ihn erst gar nicht.
    Der Junge trug einen makellosen, gebügelten Blazer, die Khakihosen waren in der Reinigung gewesen und mit Bügelfalten versehen, die Krawatte perfekt gebunden. Sein Gesicht glänzte sauber, das gescheitelte Haar war frisch geschnitten, und auch die Hände wiesen nicht die Spur von Dreck auf.
    »Dürfte man vielleicht erfahren, wer du bist?«, herrschte Dr. Wendell Waxmo ihn an.
    »Dürfte man. Duane Scrod junior«, entgegnete der Junge.

9
    Marta kritzelte noch ein Zettelchen für Nick: So find ich ihn noch gruseliger als vorher.
    Nick musste Smoke immer wieder anstarren, genau wie Marta und der Rest der Klasse. Die Verwandlung war einfach unglaublich.
    »Du kommst zu spät, Duane Scrod«, sagte Wendell Waxmo.
    »Tut mir leid. Radpanne.« Smoke setzte

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