Pantoffel oder Held?: Roman (German Edition)
davon erfährt«, erklärt Omi triumphierend.
»Und daraufhin bin ich mit dem Fahrrad von Bremen nach Hamburg gefahren.«
»Wieso denn mit dem Rad?«, frage ich verständnislos.
»Ich war ja Student damals und bettelarm. Ich konnte mir entweder die Zugfahrkarte leisten – oder den Verlobungsring.«
»Oooh«, quietsche ich. Wie romantisch ist das denn bitteschön? »Fast sieben Stunden bin ich unterwegs gewesen.« Er wirft sich stolz in die Brust.
»Und du sahst wirklich ziemlich mitgenommen aus.«
»Du warst es wert.«
»Das will ich meinen.« Zärtlich sehen sie einander an, und ich muss vor lauter Rührung schlucken. »Du hättest ihn sehen sollen. Er starrte vor Schmutz und gerochen hat er auch nicht besonders gut.«
»Aber du hast ja gesagt.«
»Natürlich.«
»Und der andere?«, fällt mir in diesem Moment ein. »War er nicht schrecklich verletzt?«
»Wilhelm? Das mit uns wäre sowieso nicht gut gegangen. Und er hat sich ziemlich schnell getröstet. Wie hieß sie noch gleich?«
»Lore«, wirft mein Opa hilfreich ein.
»Ja, dein Namensgedächtnis ist bewundernswert«, sagt sie mit leisem Spott. »Genau. Lore. Das war eine ganz merkwürdige Person. Aber ihm schien sie zu gefallen. Wie ich immer sage: Auf jeden Topf passt eine Faust.«
Ganz schön aufregend, denke ich, während ich an diesem Abend gemütlich die Elbchaussee entlang nach Hause tuckere. Ich kenne meine Großeltern schon so lange als glückliches Ehepaar, dass ich mir nie überlegt habe, dass sie auch mal jung waren und es vielleicht nicht immer so klar und harmonisch zwischen ihnen lief wie heute. Natürlich denke ich auch über Nils nach. Und wenn wir wirklich füreinander geschaffen sind? Ich will jetzt nicht wieder auf den 93 Prozent herumreiten, aber vielleicht sollte ich ihn mir wenigstens mal ansehen? In diesem Moment unterbricht der Radiomoderator von Oldie 95 meine Gedanken:
»Oldie 95! Gute-Laune-Hits der 60er, 70er und 80er! Guten Abend! Und was für ein Abend ist das, hier im sonnigen Hamburg. Das war ›Eye of the Tiger‹ von Survivor, bekannt aus dem Film ›Rocky III‹ von 1982. Jetzt kommt eine der populärsten Musikgruppen der siebziger Jahre. Unter anderem gewannen sie den Eurovision Song Contest des Jahres 1974. Sie wissen schon, von wem ich spreche. Hier sind Abba und ihr Hit ›Take a chance on me‹«.
»If you change your mind, I’m the first in line. Honey, I’m still free, take a chance on me«, erklingt es vierstimmig aus meinen Lautsprecherboxen, während mir durch das geöffnete Fenster der warme Fahrtwind um die Nase weht und ich mich ernsthaft frage, ob mir da oben gerade irgendjemand einen dezenten Hinweis mit dem Zaunpfahl geben will.
Zu Hause angekommen schleiche ich um meinen Computer herum, ohne mich recht zu einer Entscheidung durchringen zu können. Trotzdem gehe ich noch mal auf die Seite von DreamTeam. Es schadet schließlich nicht, mir Nils noch einmal anzuschauen. Wenn er mich nicht inzwischen blockiert hat, fällt mir plötzlich siedend heiß ein. Einen Nils R. in einer Großstadt wie Hamburg wiederzufinden, dürfte ziemlich schwierig werden. Dagegen war selbst die 120-Kilometer-Fahrradtour von Opa Hinrich ein Klacks. Erleichtert stelle ich fest, dass ich Nils’ Profilseite weiterhin problemlos besuchen kann. Außerdem habe ich eine neue Nachricht in meinem Postfach.
Von: Nils R.
Betreff: Himmelfahrtsnase
An: Franzi M.
Hallo Franzi,
ich will ehrlich zu dir sein: Eigentlich interessierst du mich gar nicht. Es geht mir viel mehr um deine Nase. Sie ist einfach wirklich süß und ich möchte sie gerne kennenlernen. Leider liegt es in der Natur der Sache, dass es euch beide nur im Doppelpack gibt. Es wäre einfach nett, wenn du uns die Möglichkeit geben würdest, einander zu treffen. Ich verspreche auch, mich lediglich mit ihr zu unterhalten und sämtliche deiner anderen Körperteile komplett zu ignorieren. Und? Was hältst du davon?
Liebe Grüße,
Nils
Vor mich hin grinsend lese ich die Nachricht ein weiteres Mal. So ein Spinner! Aber vielleicht sollte ich meine hinreißende Nase tatsächlich auf ein Date mit ihm schicken. Was kann schon groß passieren? Gerade setze ich dazu an, ihm eine Antwort zu schreiben, als es an der Tür klingelt.
»Hallo?«, frage ich in den Hörer der Sprechanlage.
»Pizzaservice!«
»Ich habe keine Pizza bestellt.«
»Pizzaservice.«
»Ja, ich habe Sie gehört. Aber ich habe nichts bestellt.«
»Ist eine Promotion-Aktion.«
»Was, ehrlich?«, frage
Weitere Kostenlose Bücher