Pantoufle - Ein Kater zur See - Schacht, A: Pantoufle - Ein Kater zur See
schenken.«
»Das möchte ich aber gar nicht, Pippin.«
»Nein, und warum nicht? Weil Ihnen der Erste Offizier ein bisschen mehr gefällt als andere Männer?«
Janed bekam rosa Wangen und kraulte sehr intensiv Lilis Nacken.
»Tut er das, Janed?«
»Nein. Eigentlich nicht. Oder vielleicht ein ganz, ganz klei nes bisschen. Aber er ist sowieso nichts für mich. Ein feiner Herr wie er.«
»Sind Sie weniger wert, Janed?«
»Wenn sein Vater Notar ist, denke ich, ja. Meiner war Fischer.«
»Und Ihre Mutter Gastwirtin. Sie haben eine recht ordentliche Bildung und nette Manieren und können Ihren Lebensunterhalt als Köchin verdienen. Aber lassen wir das beiseite. Meine Frage war ein bisschen zu persönlich. Ich formuliere sie noch einmal anders, weil mich Ihre Meinung dazu wirklich interessiert. Sie haben einen gesunden Menschenverstand. Was sagt Ihnen, dass Ron
Cado nichts mit dem Tod von Mademoiselle de Lanneville zu tun hatte?«
»Tja«, meinte Janed und sah aus dem runden Fenster. Es spiegelte sich die Lampe an der Decke darin, denn draußen war es dunkle Nacht geworden. »Tja, das liegt wahrscheinlich daran, dass mir damals dieser Gedanke nie gekommen ist.«
»Können Sie sich denn noch genau an das Ereignis erinnern?«
»Ich versuche es gerade, Pippin.«
Er schwieg, Janed ebenfalls, und ich linste zu Lili hinüber. Die hatte die Augen geschlossen, und ihre Flanken hoben und senkten sich gleichmäßig in tiefem Schlaf. Das war gut so, dann würde sie diesen hässlichen Zwischenfall unten im Gang bald vergessen haben. Nichts fördert die Heilung mehr als ein geruhsamer Schlaf. Nicht einmal eine Oh renspitze zuckte, als Janed begann: »Also, ich versuche es mal zusammenzubekommen, Pippin.«
»Erzählen Sie.«
»Ich war zwölf, mein klei ner Bruder Lukian acht. Es war ein herrlicher Som mertag, und wir wa ren am Nachmittag zum Felsbogen hinuntergewandert. Sie müssen wissen, das Meer hat an der Felsküste ein richtiges halbrundes Tor ausgewaschen. Davor liegt eine klei ne Bucht mit einem Sandstrand, und es führt ein schmaler Pfad von den Klippen dort hinunter. Wir hielten uns gerne dort auf, man war völlig ungestört. An diesem Tag wollten wir Muscheln sammeln. Es gibt viele dort, an den Felsen die schwarzen Miesmuscheln, Herzmuscheln im Sand, die man bei Ebbe ausgraben kann, und gar nicht
so selten werden auch Austern angespült. Wir hatten jeder einen Eimer dabei, die beide nach kurzer Zeit voll waren.«
Ich hob meinen Kopf und sah sie vorwurfsvoll an.
Siehst du, Janed, ich hab’s dir doch gesagt, es gibt genug zu essen.
Janed lächelte mir plötzlich zu.
»Pantoufle hat über eine Woche ganz alleine an diesem Strand überlebt, aber das ist eine andere Geschichte.«
Die du ihm aber ganz bestimmt auch noch erzählen wirst, Janed!
»Die erzählen Sie mir hoffentlich später auch noch, Janed.«
»Natürlich. Aber jetzt will ich se hen, woran ich mich noch erinnere. Ach ja: Oben auf dem Felsplateau stand damals eine Schäferhütte. Sie ist dem Sturm nun auch zum Opfer gefallen. Ein wackeliges Holzding, in dem vor Zeiten mal ein kleiner Bauer gehaust hatte. Seine Schafe fanden aber wohl nicht genug Nahrung, der Boden ist sandig und sehr karg, und er zog fort. Aber diese Hütte diente hin und wieder einigen Leuten als Treffpunkt. Ich hatte ein paar Mal beobachtet, wie zwei Pferde davor grasten. Damals, Pippin, machte ich mir nicht viele Gedanken darüber, aber heute glaube ich, dass es wohl heimliche Stelldichein waren, die man da abhielt.«
»Eine einsame Schäferhütte an einem schönen Strand – sehr wahrscheinlich.«
»An diesem Nachmittag war nur ein Pferd da, aber Lukian, der unter dem Felsbogen Miesmuscheln gesammelt hatte, erzählte mir, dass in der Bucht auf der anderen
Seite ein Segelboot am Strand lag. Die Stella, sagte er. Auch darüber machte ich mir wenig Gedanken.«
Jetzt sah Janed plötzlich sehr versonnen drein.
»Ich habe vieles vergessen, Pippin, so vieles, weil ich nicht an Lukian denken wollte. Er war so ein kluger kleiner Bursche. Abenteuerlustig, mutig, stur und frech, aber man konnte ihm nie böse sein, weil sein Grinsen so breit war und seine Antworten so schlagfertig. Nur zweiundzwanzig Jahre ist er alt geworden.«
Sie seufzte leise. Dann strich sie Lili wieder über den Rücken und fuhr fort:
»Das Boot – das war es, woran ich mich besser schon früher erinnert hätte. Jedenfalls hatte ich mich in den Sand gesetzt, um ein bisschen auszuruhen. Die Sonne schien so
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