Papa Bloedmann - Ein Vater packt aus - Die beliebtesten Glossen aus ELTERN
grobe Verletzungen davongetragen hat – und dass es sich nicht um die eigene Wohnung handelt, die da in Trümmern liegt. Fatalerweise steigen die Ansprüche an das Organisationskomitee von Jahr zu Jahr. Die Familien überbieten sich gegenseitig mit immer großartigeren Attraktionen. Es muss dann schon der Ausflug ins Spaßbad sein – was ein halbes Monatseinkommen kostet und wegen der hohen physischen und psychischen Anforderungen nicht nur das Geburtstagskind schlagartig altern lässt. Es folgen Zoo-Geburtstage, Museums-Geburtstage, Kino-Geburtstage und Kegel-Geburtstage. Seit einiger Zeit ist auch noch die Mode der Übernachtungs-Geburtstage ausgebrochen. Schon Sechsjährige bestehen darauf, dass die Party von nachmittags um vier bis am nächsten Tag um elf gehen muss – inklusive Pizzabacken, Theaterspielen, Fackelwanderung, Filmabend, Brunch. Demnächst dauern Kindergeburtstage voraussichtlich eine Woche, und Ausflüge ins Disneyland oder ins Weltall gehören zum Standard-Programm. Was ist dagegen schon der America’s Cup? Ein bisschen Bötchen fahren, na und?
Süße Wahrheiten
Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Über die Abhängigkeit von Osterhasen, Ü-Eiern und Gummibärchen aber schon
A us der Sicht meines Sohnes sind Menschen abstoßend, die gern Rotwein trinken, schimmligen Käse essen und sich rohen Fisch mit scharfem japanischem Wasabi auf der Zunge zergehen lassen. Die Geschmacksrichtungen sauer, bitter und scharf findet er einfach indiskutabel.
Mir als Rotwein-Käse-Sushi-Freund erscheint umgekehrt mindestens genauso bitter, was Kindern alles schmeckt. Da sauer, bitter und scharf ausscheiden, bleiben nur noch süß und salzig übrig. Salzig scheint aus Kindersicht okay zu sein, solange es sich um Chips, Pizza, Schnitzel, Pommes oder ähnlich gesunde Sachen handelt.
Bleibt der Süßkram. Gerade um die Osterzeit herum schleichen sich in die meisten Familien massenhaft süße Mitbewohner ein. Horden von Osterhasen, ganze Armeen von Gummibärchen, heimtückisch grinsende »Happy Hippos« greifen auf breiter Front an und vergiften das Klima. Denn mit den süßen Figuren tauchen auch die Probleme auf.
Nett gemeinte Ratschläge wie »Probiert doch mal ein Schwarzbrot mit Gorgonzola!« laufen ins Leere, wenn auch Quarktaschen, Schokopudding und Rosinenkuchen im Angebot sind. Die Anregung, statt eines Ü-Eis doch ein paar Nüsse zu knabbern, geht zwangsläufig unter, weil in einer Walnuss eben keine kleine Überraschung steckt, und wenn, handelt es sich höchstens um einen Wurm oder einen verschrumpelten, verschimmelten Kern, der nicht mal einen Schimmelkäsefan begeistert.
Nein, gegen Süßigkeiten stinkt alles andere ab. Es heißt, das kindliche Gehirn sei zwingend auf die Zufuhr von Blutzucker angewiesen, der aus Stärke oder Zucker in der Nahrung stammt. Weil das Gehirn im Kindesalter wesentlich schneller als der Rest des Körpers wächst, verbraucht das Nervensystem viel Zucker.
Mein Sohn glaubt fest an das Gute in der Süßigkeit. Ich will ihn nicht darin bestärken, sonst hätte ich ihm von diesem Experiment amerikanischer Psychologen erzählt: Die Wissenschaftler ließen Kinder in ein Grad kaltes Wasser greifen. Sie testeten, wie lange die Versuchspersonen den Schmerz ertrugen, einmal mit dem Mund voll Zuckerwasser, einmal mit ungesüßtem Wasser. Hatten die Kinder den Mund voller Zuckerwasser, konnten sie ihre Hände länger in der kalten Flüssigkeit lassen. Süßes senkt also das Schmerzempfinden. Bei den Müttern wirkte das Zuckerwasser nicht.
Die Liebe zu den Osterhasen lässt sich auch so erklären, dass die Geschmacksknospen für »süß« auf der Kinderzunge ausgeprägter sind als die für »sauer«, »salzig« und »bitter«. Muttermilch ist süß – kein Wunder also, dass die Kleinen später gern Cola nuckeln und an Weingummis lutschen.
Nach einer Theorie von Evolutionsbiologen kann die Vorliebe für Süßes auch eine überlebenswichtige Schutzfunktion gehabt haben: Verdorbene Nahrung schmeckt nicht süß, sondern bitter oder sauer. Na ja – für eine Neandertaler-Familie mag das vielleicht zugetroffen haben, aber die Ausrede, nur Gummibärchen seien garantiert ungiftig, lasse ich nicht gelten.
Und wenn mein Sohn irgendwann anfängt, Pro-Süßigkeiten-Studien zu zitieren, werde ich mit dieser Arbeit des Monell-Zentrums in Philadelphia kontern: Säuglinge, denen drei Monate lang eine leicht bitter schmeckende Ersatznahrung gefüttert wurde, konnten sich später mit
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