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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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Gesicht, als würde er es zum ersten Mal berühren.
    »Setz dich, ruh dich aus«, sagte ich.
    Er schüttelte den Kopf und schaute auf seine Hände. »Es brennt«, sagte er, schloss die Hände und öffnete sie wieder, als wollte er sie testen. Er drehte sich um, betrachtete den Zaun, den er berührt hatte, und wich zugleich davor zurück.
    »Lass uns von hier verschwinden«, sagte ich. »Vergessen wir die ganze Sache.«
    Er starrte in den Wald. »Es muss tiefer drin liegen«, sagte er.
    »Da ist gar nichts drin.«
    »Jemand hat den Zaun gezogen.«
    Einen Augenblick später duckte er sich tief unter dem Zaun hindurch und marschierte in den Wald. Ich blieb noch einen Moment auf der anderen Seite stehen und ärgerte mich, weil die Sache für mich noch nicht ausdiskutiert war. Aber da niemand mehr da war, mit dem ich sie ausdiskutieren konnte, kroch auch ich unter dem Draht durch und folgte ihm.
    DAS HAUS stand auf einer Lichtung voller Baumstümpfe – manche niedriger als andere, aber im Schnitt einen halben Fuß hoch. Die Lichtung wurde von einem Bach gesäumt, über den eine Bohlenbrücke führte, die stabil genug schien, um mit dem Auto oder einem Lieferwagen darüberfahren zu können. Auf beiden Seiten waren Reifenspuren zu sehen, doch konnte ich mir nicht vorstellen, wie ein Wagen durch die Sümpfe zur Brücke gelangen oder wohin er anschließend weiterfahren sollte.
    Ward stand an der Brücke und betrachtete das Haus. Im Wald hinter uns hatte das summende Geräusch wieder eingesetzt, und ich hatte das bestimmte Gefühl, dass wir in der Falle saßen. Die Vögel waren plötzlich stumm.
    Das Haus selbst war kleiner als dasjenige weiter südlich, in dem Hillarys Onkel wohnte, stand aber ebenfalls auf Stelzen. Es war allerdings kein Fertighaus. Es sah eher so aus, als wäre zu zwei unterschiedlichen Zeiten daran gebaut worden, und selbst auf dem Dach lagen zwei Sorten Ziegel. Hinter dem Haus stand ein kleineres Gebäude, in dem der Generator lief.
    Wir blieben regungslos stehen, beobachteten das Haus, und erst allmählich wurde mir klar, dass Charlotte hier wohnte.
    Ward ging über die Brücke. Ich blieb an seiner Seite und dachte an Charlotte. Ob sich ihr Aussehen verändert hatte, seit sie hier wohnte? Ob sie noch immer eine Ewigkeit fürs Make-up und zum Anziehen brauchte, seit sie außer Hillary Van Wetter niemanden mehr zu sehen bekam? Ich wusste, dass sie sich um ihr Aussehen kümmern musste. Irgendwie machte sie das attraktiver.
    Wir hatten die Lichtung etwa zur Hälfte überquert, als sich die Tür öffnete. Hillary stand vor uns, nackt. Bis auf ein kleines Büschel blassblonder Schamhaare war sein Körper unbehaart. Er sah fülliger aus als im Gefängnis, seine Beine hatten denselben Umfang wie mein Kopf und wirkten eigenartig unproportioniert. Zu kurz für seine Größe.
    Ward ging ein oder zwei Schritt näher und blieb dann stehen. Hillary rührte sich nicht. Sie starrten sich an, und langsam schüttelte Hillary den Kopf.
    »Was ist denn jetzt schon wieder?« fragte er schließlich.
    »Ich möchte mit Ihnen reden«, sagte Ward.
    »Noch mehr Gerede.«
    Mein Bruder nickte. »Über die Nacht, in der Sie und Ihr Onkel den Rasen gestohlen haben«, sagte er.
    Hillary rührte sich nicht. Im Gefängnis, angekettet an seinen Stuhl, hatte er lebhafter gewirkt. »Was ist damit?« fragte er.
    »Stimmt es?«
    »Sie haben gesagt, dass es stimmt«, sagte er. »In der Zeitung stand, dass es stimmt …«
    Wieder war es still, nur der Generator war zu hören. »Yardley Acheman sagte, er hätte mit dem Mann geredet, der den Rasen gekauft hat«, sagte Ward.
    Langsam breitete sich ein Lächeln auf Hillary Van Wetters Gesicht aus. »Es stand in der Zeitung«, sagte er noch einmal. »Dann kann es doch keine Lüge sein, oder?«
    Er sah rasch zu mir herüber und ließ seinen Blick dann weiterwandern, hinüber in den Wald. »Wo ist der andere?« fragte er.
    »Für ihn ist die Geschichte erledigt«, sagte Ward.
    Wieder lächelte Hillary. »Er hat, was er wollte, und jetzt sucht er sich was Neues.«
    Mein Bruder nickte, und Hillary wurde ernst. »Würden Sie ihm etwas von mir ausrichten?« fragte er. »Sagen Sie ihm, ich hätte es genauso gemacht.« Damit drehte er sich um und verschwand im Haus.
    Ich rührte mich nicht. Die Sonne brannte auf meinen Rücken. Als Hillary wiederauftauchte, trug er Schuhe und eine Hose, den Gürtel hatte er locker um die Hüfte geschlungen. Er kam nach draußen und schloss die Tür hinter sich, als hätte

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