Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
Vom Netzwerk:
auch erst vor der engen Tür merkten, dass sie das Sofa seitlich nicht hereintragen konnten. Ich hätte ihnen geholfen, aber der Lastwagen stand in der Ladezone – meines Wissens die einzige Ladezone in ganz Lately –, und mein Bruder wollte, dass ich im Lastwagen blieb für den Fall, dass jemand etwas anlieferte. Zwiebeln vermutlich.
    Er mochte weder den Cafébesitzer noch die Polizei oder irgendwelche Passanten verärgern, da einiges von dem, was er in Lately erreichen wollte, davon abhing, wie er und Yardley Acheman in der Stadt aufgenommen wurden.
    Mein Bruder war im County aufgewachsen und wusste, alles Fremde, selbst etwas Harmloses oder kaum Wahrnehmbares – wozu er und Yardley Acheman wohl kaum gehörten –, konnte beim geringsten Anlass zum Problem werden. Dass er aus dem Süden des Countys stammte, spielte dabei keine Rolle.
    Man war Einheimischer, oder man war es nicht.
    ALS MEIN BRUDER und Yardley Acheman den zweiten Tisch die Treppe hinaufschleppten, traf Charlotte Bless in Lately ein. Ich hatte schon so lange in der Ladezone gewartet und nach Lieferanten Ausschau gehalten, dass sich ein hechelnder Retriever in den Schatten des Lastwagens geschlichen und dort hingelegt hatte.
    Sie kam in einem verrosteten VW-Bus mit Kennzeichen aus Louisiana. Der Bus war erst kürzlich mit einer neuen Lackschicht versehen worden, näherte sich von Osten und weckte schon in einer Viertelmeile Entfernung meine Aufmerksamkeit, da sich, als Charlotte Bless über die Eisenbahnschienen fuhr, die Sonne in der breiten Windschutzscheibe spiegelte.
    Einen Häuserblock vor dem Café bog sie auf die linke Straßenseite, wurde langsamer und parkte schließlich so ein, dass unsere Gesichter keine zwei Meter trennten. Die Fahrerseite der Windschutzscheibe war blau getönt. Charlotte Bless blieb einen Augenblick sitzen, starrte mich an, bis ich den Blick abwandte, und dann stieg sie aus. Sie trug Jeans und ein Holzfällerhemd, das sie sich in den eng geschnallten Gürtel gestopft hatte, und kaum war sie ausgestiegen, zog sie das Hemd über Bauch und Busen straff und warf ihren Kopf in den Nacken, sodass ihr das Haar gerade über den Rücken fiel.
    Ohne mich noch einmal anzuschauen, ging sie vor meiner Windschutzscheibe vorbei und war dann aus dem Blickfeld verschwunden. Einen Moment später kehrte sie zurück, ihr Gesicht direkt unter meinem Ellbogen, der auf dem offenen Fensterrahmen lag.
    »Ist das Ihr Hund?« fragte sie.
    Der Schlag schien mich von sechs Seiten zugleich zu treffen. Ich hatte nach einem Blick auf ihren sich entfernenden, üppigen Hintern die Augen geschlossen und versucht, dieses Bild so lange wie möglich festzuhalten. Dass sie zurückgekommen war, hatte ich nicht gehört. Der Hund stand neben ihr und schaute mit offenem Maul und wedelndem Schwanz auf, als rechnete er damit, dass jeden Moment irgendwas Leckeres aus ihrer Tasche fiele.
    »Nein, Ma’am«, sagte ich, schaute den Hund an und dann wieder sie. Aus der Nähe wirkte sie gut zwanzig Jahre älter als in dem Augenblick, als sie aus dem VW-Bus gestiegen war. Ihre Haut sah ledrig aus und warf am Kragen Falten. Diese Unvollkommenheiten machten mir Mut, da ich mir dachte, dass ich dadurch attraktiver wurde. Ich hatte keine Ahnung, wer sie war.
    »Er lag direkt hinter Ihrem Reifen«, sagte sie, und ich hörte den Vorwurf in der Stimme. Sie langte nach unten und strich dem Tier über den Kopf, einen Ring an jedem Finger. Der Hund richtete sich langsam auf und umklammerte mit den Pfoten ihr Bein, doch sie drückte ihn ebenso langsam wieder nach unten und zog das Bein weg, gerade als er mit den pumpenden Bewegungen begann.
    Ja, sie wusste, wie man mit Hunden umging.
    Ich fragte mich, ob sie mir die gleiche Wohltat erweisen würde, bezweifelte es aber, da kein Mädchen in Gainesville, das Verständnis für die Vorgänge im Kopf eines Tieres hatte, je Mitleid für das gezeigt hatte, was in meinem Kopf vorging. Und zu jener Zeit, als ich mir in allen Dingen unsicher war, schien Mitleid meine einzige Chance.
    Ich schaute zu der Stelle, wo der Hund gelegen hatte. Er hatte zwar nicht unmittelbar hinter dem Reifen gelegen, nicht einmal unmittelbar davor, aber darüber wollte ich mich jetzt nicht weiter auslassen. Weil sie es gesagt hatte, schien es irgendwie auch zu stimmen.
    »Ich hatte ihn im Auge«, sagte ich.
    Sie nickte langsam, als wüssten wir beide, dass das nicht stimmte, blickte an mir vorbei zum Moat-Café und dann die Straße herunter.
    »Ich bin auf der

Weitere Kostenlose Bücher