Paperboy
Leben gebangt hatte, ob er das, was ihm davon noch geblieben war, gegen einen oder zwei demütigende Augenblicke im Regen auf dem Highway eingetauscht hätte. Ob er um Gnade gewinselt hatte.
Ich glaube nicht. Allerdings kannte ich den Sheriff auch nur von Paraden.
»Ist schon komisch«, sagte Hillary einige Augenblicke später, »klingt für euch vielleicht wie ’ne Kleinigkeit, aber außer dem, was wehtut, gibt’s hier nichts, worüber man lachen kann.«
Dann wandte er sich wieder Charlotte zu und wollte sich an dem Anblick ihrer Beine freuen, wie sie unter ihrem Rock verschwanden, aber auch das wurde ihm verdorben.
»Sind Sie sicher, dass es in Daytona war?« fragte mein Bruder. Er war höflich, hatte aber keine Angst vor Hillary Van Wetter.
»Ist doch egal«, gab Hillary zurück.
Ward sagte: »Wenn es egal wäre, würde ich Sie nicht damit belästigen.« Er schwieg einen Augenblick. »Sind Sie sicher, dass es in Daytona war?«
»Irgendwo da drüben. Daytona, Ormond Beach … einer von diesen Orten. Es war ein Golfplatz, und wir haben den Rasen von sämtlichen Greens abgetragen.«
»Von allen?« fragte Yardley Acheman.
»Von allen, die wir im Dunkeln finden konnten«, sagte Hillary.
»Wohin haben Sie ihn gebracht?« fragte mein Bruder. Hillary schaute ihn an, er schien nicht zu verstehen.
»Verkauft«, sagte er schließlich.
»An wen?« fragte Yardley Acheman.
»An wen?« fragte Hillary. »An wen?« Er musterte Yardley Acheman, und langsam kam ein Lächeln über sein Gesicht. »Vielleicht brauche ich mir ja doch keine Sorgen zu machen, wenn ich meine Verlobte mit euch Jungs alleine lasse«, sagte er und schaute sie an, wollte sehen, ob sie das lustig fand. Schien sie zu testen.
»Wem haben Sie den Rasen gebracht?« fragte Ward.
»Einem Bauunternehmer«, sagte er. »Die bezahlen ein Schweinegeld für Golfrasen.«
»Was für ein Bauunternehmer?«
»Eigentumswohnungen«, antwortete er. Wieder sah er Yardley Acheman an, der kein Wort mehr gesagt hatte, seit er von Hillary beleidigt worden war. »Der Wohnblock würde dir gefallen«, sagte er. »Steckt voller ›An wen‹-Typen.«
»Es geht Sie zwar nichts an«, sagte Yardley, »aber zu Ihrer Information: Ich bin verlobt.«
Ein Lächeln erhellte plötzlich Hillary Van Wetters Gesicht. »Meine Information?«
»Wo liegt der Wohnblock?« fragte mein Bruder.
Hillary rieb sich die Augen. »Schon wieder«, sagte er. »Jedes Mal, wenn ich etwas lustig finde, willst du wissen, wo was war.«
»Das ist nicht lustig«, sagte mein Bruder gleichmütig. »Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.« Und wie auf ein Signal hin öffnete sich die Tür, ein Wachposten kam herein und legte Hillary Van Wetter eine Hand auf die Schulter.
»Genug für heute, Jungs«, sagte er.
Ohne den Wachposten anzuschauen, der seine Schulter festhielt, erhob sich Hillary. Es sah aus, als wäre er aus eigenem Entschluss aufgestanden. Die Hand des Wachpostens wanderte zu Hillarys Armbeuge und drängte ihn zur Tür. Hillary widersetzte sich nicht, blieb aber einen Augenblick einfach stehen, sodass sich keiner von beiden rührte.
»Mach deinen Mund auf«, sagte er zu Charlotte, aber diesmal war es als Scherz gemeint, und dann ließ er sich von der Wache abführen.
Yardley Acheman kratzte an einem Stückchen Schorf auf der Stirn, die gleich zu bluten begann. »Das läuft beschissen«, sagte er zu meinem Bruder.
Ward gab keine Antwort.
»Hillary Van Wetter ist unschuldig«, sagte Charlotte.
Yardley Acheman drehte sich zu ihr um. »Wen kümmert’s?«
»Mich«, sagte sie. »Deshalb bin ich hier.«
»Du bist hier, weil deine Möse feucht wird, wenn du daran denkst, dass dieser Typ auf den elektrischen Stuhl kommt«, sagte er. Und dann zeigte er auf mich: »Du bist noch verrückter als der da.«
Müde stand Ward auf und ging zur Tür. Ich folgte ihm nach draußen, und kurz darauf hatte uns Charlotte auf dem Flur eingeholt.
»Wollt ihr den Fall einfach aufgeben?« fragte sie. Yardley Acheman trat gerade aus dem Besucherzimmer. Mein Bruder hatte einen Vorsprung und wartete bereits am Tor darauf, hinausgelassen zu werden.
»Ward gibt nicht auf«, sagte ich, »und allein auf ihn kommt es an.«
AN DIESEM ABEND gab es auf dem Highway einen Unfall, zwei Motorradfahrer aus Orlando trafen frontal auf einen Kombi aus Michigan, und die Streife brauchte Stunden, um den Schlamassel zu beseitigen.
Mein Vater saß immer noch in seinem Sessel, als ich nach Hause kam. Der Stapel Zeitungen lag verstreut
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