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Paperboy

Paperboy

Titel: Paperboy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pete Dexter
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es so weit ist, werden sie es mir schon sagen. Außerdem habe ich keine saubere Wäsche mehr.«
    Ich erklärte mich schließlich bereit, sie zurückzufahren.
    Im Wartesaal des Krankenhauses kreuzten sich die Wege der beiden, Charlotte lief in die eine, mein Vater in die andere Richtung. Er trug einen Anzug; sie trug, was sie an jenem Abend angehabt hatte, an dem Ward zusammengeschlagen worden war. Ich stellte sie einander vor, aber mein Vater ließ sich von einem Patienten ablenken, der auf einer Trage hereingebracht wurde. Er schaute an ihr vorbei und fürchtete sich vor dem, was er zu sehen bekommen würde, wenn er tiefer ins Krankenhaus vordrang.
    » NA, SO SCHLECHT siehst du doch gar nicht aus«, sagte er.
    Den Satz hatte er sich zurechtgelegt, und er hätte ihn zum Besten gegeben, egal, in welchem Zustand Ward gewesen wäre. Die Schwellungen waren tatsächlich an einigen Stellen zurückgegangen, doch Wards Unterlippe hatte sich entzündet, sodass er kaum reden konnte.
    Mein Bruder nickte ihm zu und sah dann mich an. Ich wusste nicht, ob ich gehen oder bleiben sollte. Charlottes Blumen standen auf beiden Ecken der einzigen Kommode im Zimmer und begannen zu welken. Mein Vater schob sie beiseite und lehnte sich an die Kommode. Er ging nicht einmal in die Nähe des Stuhls neben dem Bett.
    »Ich habe versucht, deine Mutter anzurufen.« Er verstummte und schaute sich meinen Bruder genauer an. »Wurden sie gefasst?« fragte er mich.
    Ich schüttelte den Kopf. »So was passiert öfter da unten am Strand«, sagte ich. Aus irgendeinem Grund schien es mir wichtig, die Worte des Polizisten möglichst genau wiederzugeben, es genauso zu erzählen, wie man es mir erzählt hatte. Mein Vater nickte und versuchte, sich das Blutbad vorzustellen.
    »Wann wollen sie dich entlassen?« fragte er Ward. In seiner Stimme lag eine Herzlichkeit, die gewollt und künstlich wirkte, ein Teil der Verkleidung, die er für diesen Besuch angelegt hatte.
    Ward zuckte die Achseln und sah sich Hilfe suchend im Zimmer um. Es fiel mir schwer, den beiden zuzusehen, es fiel mir aber auch schwer, sie allein zu lassen. »Übermorgen wollen sie noch einmal operieren«, meinte ich. »Danach werden sie wohl sagen können, wie lange es noch dauert.«
    »Die
Times
macht sich Sorgen, das kann ich dir sagen«, sagte mein Vater. »Ich habe mit meinem Freund Larson geredet, und der sagte, die Nachrichtenredaktion frage sich besorgt, worüber sie berichten soll, solange du krank bist.«
    Ich denke, er hätte ihm gern erzählt, dass die
Moat County Tribune
ohne ihn auch nicht zurechtkam. Das wäre persönlicher gewesen als die
Miami Times
.
    Mein Bruder nickte und versuchte zu lächeln. Doch seine Lippen taten ihm weh, also verzog er sein Gesicht nur ein wenig und gab dann auf. Es war typisch für meinen Vater, dass er seinen ältesten Sohn halb zu Tode geprügelt auf der Intensivstation im Krankenhaus liegen sah, ihn, der dem ins Auge gesehen hatte, wovor er sich am meisten fürchtete, und dass er dann davon redete, sich wieder an die Arbeit zu machen.
    Da er sein Leben lang im Geschäft des knappen Stils verbracht hatte – bestimmte Worte zu gebrauchen, um andere Worte zu vermeiden, die bequemer- oder höflicherweise ungesagt blieben –, konnte er in den entscheidenden Situationen überhaupt keine Worte finden.
    Mein Bruder verstand das und verzieh ihm und hoffte wohl, dass ihm dafür auch vergeben wurde. Und vielleicht war es tatsächlich so.
    »Sie vermissen dich bei der Arbeit«, sagte er.
    MEIN VATER UND ICH aßen am Abend zusammen im Hotel, und er machte nur gelegentlich den Mund auf, fragte einmal, welche Zeitungen Ward morgens las. Nachdem er sich für die Nacht auf sein Zimmer zurückgezogen hatte, fuhr ich Charlotte nach Lately, war um ein Uhr morgens vor ihrem gemieteten Apartment und musste sie wachrütteln.
    »Himmel«, sagte sie, »habe ich geschnarcht?«
    Ich war müde, aber mit Schlafmangel hatte das nichts zu tun. Und während ich neben ihr im Wagen saß, kam mir der Gedanke, dass ich vielleicht versucht hatte, zu viele Dinge zusammenzuhalten, deren Bestimmung es war, auseinanderzufallen.
    Sie betrachtete sich im Spiegel ihrer Puderdose, berührte da und dort ihr Gesicht mit einem Lippen- oder Augenbrauenstift. In all der Zeit, die ich sie nun kannte, war sie nie von einem Ort zum anderen gefahren, ohne zuvor in einen Spiegel zu schauen. Sie hatte das Innenlicht angeknipst, und Schatten fielen über das Armaturenbrett.
    »Was willst du mit ihm

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