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Papierkuesse

Papierkuesse

Titel: Papierkuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pali Meller
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mir.
    Grüße PM.

[18]
    Berlin-Plötzensee, den 9. August 1942
    Königsdamm 7 – Haus III
     
    Meine Lieben! Es ist wieder lange her, dass ich von Euch hörte! Hoffentlich kommt bald Nachricht. Ich habe einen verrückten Entwurf gemacht und bis ins kleinste Detail gezeichnet, einschließlich aller Möbel: »Das Wohnhaus PILABARRA IN ÖDENBURG« und bin gerade dabei, ein wenn auch primitives, doch anschauliches Modell zu bauen! Das herrliche am Plan ist (abgesehen von der Unausführbarkeit), dass er 2 meiner Träume vom Wohnen verbindet: l.) alle Räume im Erdgeschoss am Garten zu haben 2.) in einem Turm zu wohnen. Nun ist dies so:
     
    1 = Windfang, 2 = Diele, 3 = Wohnraum, 4 = Essraum, 5 = Küche, 6 = Anrichte, 7 u. 9 = Dienstmädchen, 8 = Bad, l0 = Kinder Spiel- u. Wohnraum, ll‚ 12, 13, l4 = Schlafräume, 15 = Bad, 16 = Terrasse
     
    Der schraffierte Teil geht nun bis zu 18 m als Turm hinauf. Er enthält meinen Schlafraum, darüber Wohnraum, darüber in 2 Geschossen ein Atelier. Ganz oben ist ein Aussichtsturm, von wo man Sopron 24 sieht. Das Atelier guckt auch gerade nach Norden und guckt auf den Stadtturm und alle Kirchtürme. Alles ist so närrisch groß, z. B. der Wohnraum 6 x 12 Meter, dass man vor Sehnsucht, so was bauen zu können, direkt Bauchweh kriegen könnte. Ihr seht auf alle Fälle, dass ich mit meinen Gedanken und Fantasiespielen bei Euch bin,auch wenn ich in Wirklichkeit jetzt einsamer bin: denn Hans ist weg, und das war ein bitterer Abschied nach fast sechs Monaten. Aber ich bin in Gefühlssachen abgehärtet und werde schön langsam Weltmeister in Zähnezusammenbeißen und Kopfhochhalten. Hoffentlich steht Ihr mir darin nicht nach und nehmt Euren Spaß, wo Ihr ihn findet, z. B. in Mückenberg, wo man sich den Bauch so schön vollschlagen kann. Wisst Ihr noch, wie wir ein uns unbekanntes Riesentier vorgesetzt bekamen? Es war ein Zicklein und die Kost unserer Mücketage. Franzi, der Engel, versteht was vom Leben, hat das Lachen nie verlernt. Die wird Euch schon zeigen, wie viel Freuden das Leben birgt, wenn man nur richtig hinschaut, genau wie eine Kartoffel herrliche Delikatesse ist, wenn man genug Hunger im Leib verspürt. Ihr ahnt gar nicht, wie reich das Leben wieder wird, wenn man den richtigen Maßstab anzulegen weiß. Ich habe es jetzt gelernt. Und darum gibt es für mich wieder Glück! Es küsst Euch alle drei in großer Liebe, Euer Papa.

[19]
    Winterfeldallee 22
    6.   9.   1942
     
    Meine Lieben! Zuallererst alles Sachliche: Ihr schreibt mir alle sechs Wochen! Nach der Anrede muss meine Nummer stehn. 66o/42. Ich schreibe Euch erst in 6 Monaten wieder, dann aber alle 6 Wochen! Im letzten Monat habe ich viel gebastelt. Erst ein Modell vom Haus Pilabarra, dann einen neuen Entwurf für ein kleineres, vernünftigeres Haus »Franzi« auch mit Modell und wollte Euch die Zeichnung schicken. Dann kam aber die plötzliche Umsiedlung und so ging es nicht. Dann beschäftigte mich Pilas »Kinderheim«. Ich habe aber den Weg verloren und machte ein großes Internat erst für 60, dann für 240 Insassen, das modernste, was es wohl auf der Welt gibt. Ein Modell l:700 hatte ich auch. Aber falsch war das Ganze doch und führte zu einer Revision meiner ganzen Architekturauffassung. Genau wie Familienglück am offenen Kamin andere Formen hat wie bei Zentralheizung, so ist das letzte ausgeklügelte »Moderne« der Mord an allem, was Sehnsuchtsinhalt des fühlenden Menschen ist. Wonach man sich aber wirklich sehnt, das weiß man erst, nachdem man es verloren hat. Nach meinen Eigenheimentwürfen, bei denen ich unser Leben bis zum letzten im Geiste durchgespielt habe, alles wieder verwarf und im Autowohnwagen, dann wieder im Wohnzelt das Ideal zu finden meinte, bei diesem Spiel also trennte sich Heu und Spreu und zeigte mir Lebenswerte, die ich bis jetzt nicht erkannt habe. Oh Gott, wenn ich sie Euch gebenkönnte! Euch zeigen könnte, was Glück ist, was Erfüllung! Was ein Händedruck, ein Beisammensein oder auch eine Pellkartoffel bedeuten kann! Welch Reichtum! Und diesen Reichtum habe ich im Augenblick, wo ich wirklich messbar am Tiefpunkt der Armut angelangt bin. Nicht mal zum 12. l0. kann ich Barra schreiben! Drum will ich ihr jetzt schon alles Schöne und Gute wünschen, viel Glück und Erfolg, viel Liebe und Heiterkeit. Dazu die ganze leidenschaftliche Liebe meines Herzens, die ich ihr in meinen sonst leeren Händen reiche. Und Pila, Du musst weiter so tapfer und klar sein wie bis jetzt und mir über

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