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Papilio Mariposa

Papilio Mariposa

Titel: Papilio Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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dessen
Sinn nicht ermessen, sosehr auch seine Schönheit
ihn ergriff. Er fragte den Sokrates: ›Wie kommt es
doch, Sokrates, daß du solch ein Bild schufst, das keinemall derer gleicht, die bisher sind von Menschen gefertigt
worden? Und wie kommt’s, daß du dem Menschen
deine und der Aphrodite der Aspasia Züge verliehen
hast?‹
    Darauf Sokrates: ›Dieses Bild ist nicht bloß Erfindung,
ich habe dieses Bild erlebt.‹
    Als alle neugierig fragten, hub er an: ›Es war an
einem schönen Frühlingstage; da tanzten draußen im
Haine die Jünglinge und die Mädchen.
    Mein Herz war erfüllt von der Schönheit aller
Dinge, berauscht vom Klange der Zytheren und dem
jugendlichen Frohmut der Tanzenden.
    Ich trat an eine der Jungfrauen heran, um mit ihr zu
tanzen. Die Jungfrau war Aspasia.
    Doch sie blickte mich spöttisch an und sprach: ›Mit
dir tanze ich nicht, häßlicher Bock.‹
    Traurig schlich ich mich von dannen und sann nach
über das Wesen der Häßlichkeit; doch konnte ich es
nicht ergründen.
    Da, eines Nachts, da war es mir, als riefe eine
Stimme: ›Erhebe deine Häßlichkeit, erhebe deine
Schmerzen zu den Göttern!‹
    Und ebenjenes Bild, dessen Erinnerung mich so sehr
bedrückte, ich sah es wiederum, in strahlender, entrückter
Schönheit. Dies hier ist jenes Bild!‹
    ›Glücklicher Sokrates‹, sprach Perikles, ›so schenkte
dir ein Gott die Gabe, deinen Leiden Gestalt zu verleihen.
Wie unglücklich wärest du, wenn du dieser Gabe
entbehrtest.‹
    ›Dann empfände ich nicht sosehr den Kummer meiner
Häßlichkeit.‹
    ›Doch sage mir, warum hast du den Olympos dargestellt,
und was soll auf dem Bilde die große Menge derer,die da tief unten gegen die Himmel zu drängen
scheinen?‹
    Da lächelte Sokrates und sagte: ›Die Götter sind
nicht gütig, sie geizen mit dem Glücke ihrer Schönheit.
Doch einst könnten die Armen und Häßlichen sich zusammenscharen
und den Himmel für sich fordern.‹
    ›Und wer wird ihnen den Weg weisen?‹
    ›Ein neuer, unbekannter Gott.‹
    Da sprach Perikles: ›Wehe, Sokrates! Wie vergehst
du dich gegen unsere Gesetze? Du stellst die Häßlichkeit
dar, die verpönt ist auf unseren Bildwerken. Du
gesellest dich als Mensch zu den Göttern und verkündest
durch dein Bild neue abtrünnige Gedanken. Gehe
hin und verbrenne es.‹
    Und so verbrannte Sokrates sein Bild.
    *     *     *
    Doch was halfen mir meine Gedichte? Mein Leid war
stärker, denn die Gedichte waren schwach. So kam die
nackte hämische Verzweiflung über mich. Stumm
schlich ich mich dahin.
    Und dann kam der Gedanke an den Tod. Erst leise
mahnend, dann aber berauschend mächtig. Ich war
stolz, als wäre es meine eigenste Erfindung, daß es ein
Mittel gibt, dies peinigende Leben wegzuwerfen. Brünstig
gab ich mich dem Plane hin.
    Nur eines galt es noch zu tun: ihr schreiben. So warf
ich denn folgenden seltsamen Liebesbrief hin.
     
    Fräulein!
    Wenn ich nicht beschlossen hätte zu sterben, fände ich
nimmermehr den Mut, Ihnen zu schreiben. Aber es gilt
ja, Sie von meinem Leide und von meinem Tode zu benachrichtigen.Der Gedanke wäre mir fürchterlich, zu
sterben, ohne daß Sie von meinem Tode auch nur wüßten.
Denn Ihretwegen sterbe ich ja. Drum nehmen Sie
gnädig diese Nachricht hin. Sie ist, glaube ich, mein erstes
wahres Gedicht, und Erstlinge sind allen Göttern
wohlgefällig.
    Als ich noch an Gott glaubte, war mein täglich Gebet,
er möge mich zu einem großen Manne machen.
Und ich hielt mich für begnadet.
    Da aber kamen Sie und zeigten mir, daß ich nichts
sei. In die Unendlichkeit der Liebe versunken und vor
den harten Kampf mit ihr gestellt, erkannte ich meinen
Unwert. Und das zwingt mich zu sterben.
    Und so ist alles unwahr. All die Nächte sind unwahr,
da ich mit angehaltenem Atem lag und dem Gesang in
meiner Seele lauschte. Und dieses Sinnen ist unwahr,
mit dem ich die Werke der Dichter aus der Hand legte,
mit halbem Blick auf sie träumend, meine Träume träumend.
Denn das nennen ja die Menschen ›nachempfinden‹.
    Ach, wenn ich nur groß und mächtig wäre! Fliehen
würde ich mit Ihnen, rauben würde ich Sie, und in ein
fernes schönes Land mit Ihnen gehen, an dessen Ufer
das Meer schlägt. Aber nur fort, fort aus dem Schätzungsbereich
dieser Menschen! Und mit Ihnen müßte
ich sein, denn Sie sind meine Sehnsucht und mein Vergessen.
    Und doch — wenn es mir vergönnt wäre, mein Märchenschloß
zu erbauen und Sie auf den Söller zu führen
und Ihnen weit und glänzend meine Welt

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