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Papilio Mariposa

Papilio Mariposa

Titel: Papilio Mariposa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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mißlingt, der Traum seiner
Größe versinkt.
    Und nun verfällt er aus dem Wahne der Größe in
den Wahn der Kleinheit. War er früher der Auserlesene,
so ist er jetzt der Ausgestoßene, der Häßliche, der
Unwürdige. Darum will er sterben.
    Ist es wirklich die Liebe, die ihm das angetan hat?Keineswegs, denn die Liebe ist ihm nur ein Symbol der
unbezwungenen Wirklichkeit. Der Wirklichkeit, die
ihm heute entgegentritt in Gestalt eines jungen Mädchens,
morgen vielleicht in der Verheißung äußerer
Ehren, immerfort sich ihm versagend.
    Und was rettet ihn vor dem Selbstmorde? Wiederum
ein Wahn, die Flucht ins Reich seiner Träume, wo
Beethoven wandelt und ihn segnet.
    Solcher Art ist Ihr Held. Kein Einziger — wie Sie
vielleicht vermeinen —, aber ein Einsamer. Er lebt in
einer unwirklichen Welt. Dort, wo seine Welt zusammenstößt
mit der harten Wirklichkeit, muß er zuschanden
werden. Er ist ein ehrgeiziger Träumer. Aber nicht
jeder Träumer ist schon ein Dichter.«
    Mario war’s zumute wie jemandem, der einen teuren
Toten auf dem Seziertische sieht und vor dessen Augen
das geliebte Wesen sich unter dem mitleidlosen Messer
in blutende Muskeln und emporquellende Eingeweide
auflöst. Was hilft es, wenn er erkennt, woran der Teure
gestorben, gibt ihm dies das Leben wieder? War das
die Hilfe, die ihm Achenbach versprochen?
    Als habe er Marios trübe Gedanken erraten, lenkte
dieser ein: »Sie müssen mich recht verstehen. Ich will
Ihnen ja nichts absprechen, aber ich kann Ihnen auch
noch nichts versprechen.
    Gewiß, Sie haben Phantasie und Temperament, ich
meine, Sie sind großer Leidenschaften fähig. Aber
macht dies schon den Dichter? Das sind Kräfte, mit
denen man das Beste und das Schlechteste bewirken
kann. Weiß ich, in welche Bahnen Sie von diesen Kräften
sich werden treiben lassen?
    Den Dichter, lieber junger Freund, macht erst die
Heiligkeit des Willens.
    Wenn wir uns nur in unserem Leide an die Dichtkunst
schmiegen, wie Sie es sagen, dann bleiben wir
zeitlebens Gelegenheitsdichter, Dilettanten. Wenn wir
das Heiligtum der Poesie immer nur als um Gnade Flehende
betreten, dann mögen wir gläubige Pilger sein,
Priester sind wir nicht.«
    Zerknirscht vernahm es Mario. Wie konnte er vor
diesem eifervollen Propheten bestehen?
    »So sollten alle diese Qualen vergeblich sein? Sollte
man wirklich so sehr leiden können, wenn es einem
nicht gegeben ist, seine Leiden zu gestalten? Es waren
meine besten Augenblicke, da ich dies schrieb. Es war
mir wirklich, als erhöbe ich mich, als sähe ich tief unter
mir die Erde mit ihren Bergen, Flüssen, Städten und
Menschen, als könnte ich alles umfassen, alles erfassen
. . . Wäre alles das Trug?«
    »Kind, Kind«, mit ergriffenem Lächeln sagte es der
andere, »es gibt so viele Qualen auf Erden. Es gibt
auch Qualen ohne Erlösung. Und es gibt Menschen,
die wie Moses das gelobte Land wohl sehen, aber nicht
betreten dürfen.
    Bescheiden sein, Kind, sich bescheiden. Nicht nach
dem Außergewöhnlichen verlangen, erst nach dem Ordentlichen.
Zuerst das Handwerk, dann die Kunst.
    Irre ich nicht, so ringt noch dreierlei in Ihnen: die
Sucht, die Welt zu erkennen, die Begierde, sie zu genießen,
und der Wille, sie zu gestalten. Jetzt treiben
diese Strömungen noch neben- und auseinander, treiben
Sie hin und her. Doch später einmal können sie
zusammenfließen zu einem mächtigen Strome. Bis dahin
heißt es arbeiten und warten.«
    Damit war Mario entlassen.

    I ch war enttäuscht. Schon
als ich die Überschrift las; denn ich hatte von ihm ein
wissenschaftliches Werk, keinen Roman erwartet.
    Um so höher — könnte man einwenden — müßte ich
seine Vielseitigkeit anerkennen. Doch mich beherrschte
jenes Gefühl unangenehmer Überraschung,
das uns befällt, wenn wir jemand an einem Orte treffen,
wo er nicht hingehört.
    Zwar machten mich manche Ornamente stutzig: die
Beschwörung Beethovens, an den mich Mariposa selbst
immer gemahnte, und die Einleitung, wo er von Rosen,
hoch wie Eichen, spricht und von Tannen, wie Moos so
niedrig und so zierlich. Das verriet nicht nur den phantasiebegabten
Forscher, das konnte auch Maßlosigkeit
verraten.
    Aber im Ganzen blieb ich enttäuscht. Warum, ist
mir nie klargeworden. Vielleicht war mein Blick durch
ein Vorurteil getrübt, das mich hinderte, Vorzüge dort
zu erkennen, wo ich sie nicht erwartete. Oder es war
eine gewisse Schamhaftigkeit, die in mir verletzt wurde:
weil ich, als Schriftsteller ganz unbekannt, zu einem

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