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Papillon

Papillon

Titel: Papillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Charrière
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Häute und Köpfe der Kaninchen.
    »Dann weiß also der Doktor nicht, was er sagt?«
    »Was, der Doktor hat das gesagt?« fragt Carbonieri aufatmend. »Der hat Sie doch hochgenommen. Sagen Sie ihm, daß das keine guten Spaße sind.« Filidori, völlig beschwichtigt und überzeugt, kehrt in den Eßraum zurück und sagt zum Doktor: »Reden Sie nur, reden Sie nur, soviel Sie wollen, Sie Kurpfuscher. Der Wein ist Ihnen zu Kopf gestiegen. Mag ihr Rippenstück noch so flach oder rund sein, ich weiß, daß ich Kaninchen gespeist habe. Eben habe ich ihre drei Felle und ihre drei Köpfe in der Küche gesehen.«
    Matthieu war gut davongekommen. Aber er zog es vor, wenige Tage später als Koch der Aufsehermesse zu demissionieren.
    Der Tag, an dem ich wieder handeln kann, rückt näher. Nur noch wenige Wochen, und Barrot ist weg.
    Gestern habe ich, sozusagen im Vorübergehen, seine dicke Frau aufgesucht, die dank der Fisch- und Gemüsediät stark abgenommen hat. Die Gute lud mich zu sich ein, um mir eine Flasche Chinarindenschnaps zu schenken. Im Vorraum befinden sich große, halb vollgepackte Schiffskoffer. Die Barrot bereiten ihre Abreise vor. Die Kommandantin, jeder nennt sie so, sagt mir:
    »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen für alle Ihre Nettigkeiten während der letzten Monate danken soll, Monsieur Papillon. Ich weiß, daß Sie mir sogar bei schlechtem Fischfang alles gegeben haben, was Sie erwischten.
    Ich danke Ihnen vielmals. Ich verdanke es Ihnen, daß ich mich heute ungleich besser fühle. Ich habe vierzehn Kilo abgenommen. Was könnte ich tun, um Ihnen meine Dankbarkeit zu beweisen?«
    »Sie könnten etwas für Sie sehr Schwieriges tun, Madame.«
    »Und das wäre?«
    »Verschaffen Sie mir einen Kompaß. Er muß klein, aber trotzdem genau sein.«
    »Sie verlangen wenig und viel von mir, Papillon. Und innerhalb von nur drei Wochen wird das für mich wirklich sehr schwierig sein.«
    Acht Tage vor ihrer Abreise, bestürzt, daß es ihr nicht gelungen war, einen guten Kompaß aufzutreiben, nahm diese großmütige Frau es auf sich, mit dem Küstendampfer nach Cayenne zu fahren! Vier Tage später kehrte sie mit einem prächtigen antimagnetischen Kompaß zurück. Heute morgen sind Kommandant und Kommandantin Barrot abgereist. Gestern hat er das Kommando an einen Aufseher des gleichen Dienstgrades wie er, der Herkunft nach ein Tunesier, mit Namen Prouillet, abgegeben. Gleich eine gute Nachricht: der neue Kommandant hat Dega in seinem Posten als Oberrechnungsführer bestätigt. Das ist für alle sehr wichtig, besonders für mich. Bei seiner Ansprache an die auf dem großen Hof im Karree versammelten Sträflinge macht der neue Kommandant den Eindruck eines energischen und intelligenten Mannes. Unter anderem sagte er zu uns:
    »Von heute an übernehme ich das Kommando über die Insel. Da ich festgestellt habe, daß die Verwaltungsmethoden meines Vorgängers positive Ergebnisse zeitigten, sehe ich mich in keiner Weise veranlaßt, daran etwas zu ändern. Wenn Sie mich durch Ihr Verhalten nicht dazu zwingen, erachte ich es für überflüssig, in eure bisherigen Lebensgewohnheiten einzugreifen.«
    Mit wohl begreiflicher Freude sah ich den Kommandanten und seine Gattin abreisen, obwohl die erzwungene Wartezeit von zwei Monaten wahnsinnig schnell vorbeigegangen war. Diese falsche Freiheit, deren sich fast alle Sträflinge auf den Inseln erfreuen, die Spiele, der Fischfang, die Gespräche, die neuen Bekanntschaften, die Streitigkeiten und Kämpfe untereinander, lenken stark ab, man hat kaum Zeit, sich zu langweilen.
    Trotzdem habe ich mich von dieser Atmosphäre nicht wirklich einfangen lassen. Immer wenn ich mir jemanden zu einem neuen Freund machte, stellte ich mir insgeheim die Frage: Könnte der ein Fluchtgefährte sein? Und würde ich richtig handeln, ihn in meine Vorbereitungen hineinzuziehen, wenn er selbst nicht flüchten will?
    Ich lebe nur noch für das eine: flüchten, flüchten, ob allein oder m Begleitung, nichts als Flucht. Es ist meine fixe Idee, von der ich, wie Jean Castelli mir geraten hat, niemandem ein Wort sage. Aber sie hält mich gefangen, diese fixe Idee! Und unnachgiebig werde ich meinen Traum verwirklichen: die große Flucht!

Siebentes Heft: ›Inseln des Heils‹
Ein Floss in einem Grab
    In fünf Monaten habe ich jeden Winkel von Royale kennengelernt. Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß der Garten nächst dem Aufseherfriedhof, wo mein Freund Carbonieri arbeitete – jetzt ist er nicht mehr dort –, der

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